: Ulrike Schweikert
: Die Charité: Hoffnung und Schicksal Historischer Roman
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644404236
: Die Charité-Reihe
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 496
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sternstunden der Medizin Berlin, 1831. Seit Wochen geht die Angst um, die Cholera könne Deutschland erreichen - und als auf einem Spreekahn ein Schiffer unter grauenvollen Schmerzen stirbt, nimmt das Schicksal seinen Lauf. In der Charité versuchen Professor Dieffenbach und seine Kollegen fieberhaft, Überträger und Heilmittel auszumachen: ein Wettlauf gegen die Zeit. Während die Ärzte um das Überleben von Tausenden kämpfen, führen drei Frauen ihren ganz persönlichen Kampf: Gräfin Ludovica, gefangen in der Ehe mit einem Hypochonder, findet Trost und Kraft in den Gesprächen mit Arzt Dieffenbach. Hebamme Martha versucht, ihrem Sohn eine bessere Zukunft zu bieten, und verdingt sich im Totenhaus der Charité. Die junge Pflegerin Elisabeth entdeckt die Liebe zur Medizin und - verbotenerweise - zu einem jungen Arzt ... Die Charité - Geschichten von Leben und Tod, von Hoffnung und Schicksal im wohl berühmtesten Krankenhaus Deutschlands.

Ulrike Schweikert arbeitete nach einer Banklehre als Wertpapierhändlerin, studierte Geologie und Journalismus. Seit ihrem Romandebüt «Die Tochter des Salzsieders» ist sie eine der bekanntesten deutschen Autorinnen historischer Romane. Beide Bände ihrer Erfolgsreihe «Die Charité» standen in den Top 10 der Bestsellerliste und verkauften sich insgesamt über 200.000-mal. Zuletzt begeisterte die Verfilmung ihrer Jugendbuchserie «Die Erben der Nacht» zahlreiche Zuschauer.  

Kapitel 2Krankenwärterin Elisabeth


Es war gegen Mitternacht, als Dieffenbach in der Friedrichstadt in die Jägerstraße einbog, wo er mit seiner Frau Johanna in einer großzügigen Wohnung im ersten Stock lebte. Er hatte die Treppe noch nicht hinter sich gebracht, da riss sie bereits die Tür auf. Er brauchte sie nicht anzusehen, um zu wissen, dass ihre Stimmung auf Sturm stand. Die Luft schien wie vor der Entladung eines Gewitters zu flirren.

Dieffenbach ahnte, was gleich kommen würde, und wäre dem Streit gern ausgewichen. Er fühlte sich müde und ausgelaugt und wollte nichts mehr, als sich noch eine Stunde in sein ruhiges Studierzimmer zurückzuziehen, um über diesen Fall nachzudenken. Außerdem wollte er seinem Freund Dr. Georg Friedrich Stromeyer nach Hannover schreiben, der ihm von seiner faszinierenden Operation der Durchschneidung einer Achillessehne berichtet hatte. Zudem ließ der Hunger seinen Magen rumoren. Nur kurz in der Küche vorbeigehen, ein Stück Brot und Käse nehmen und dann die Tür hinter sich schließen.

Doch Johanna verstellte ihm den Weg und blitzte ihn zornig an. «Weißt du, wie spät es ist? Und komm mir nun nicht wieder mit irgendwelchen wichtigen Patienten. Es geht bei dir immer nur um Patienten. Und was ist mit mir? Bin ich nur deine Frau und damit unwichtig?»

«Johanna, es tut mir leid. Es war wirklich ein wichtiger Fall – nicht für mich, für ganz Berlin.»

Johanna wischte diesen Einwand mit einer Handbewegung weg. «Ich habe dir gesagt, dass dies ein bedeutsamer Abend für uns wird.»

«Für dich», wagte er zu widersprechen.

«Für uns», beharrte sie. «Wir haben geschätzte Gäste!»

«Devrient ist da», vermutete Dieffenbach und unterdrückte einen Seufzer. Er kannte die Vorliebe seiner Frau für den Schauspieler, doch seine Abneigung gegen diesen hatte nichts mit Eifersucht zu tun. Dabei war Johanna ganz sicher eine Frau, über deren Treue ein Ehemann sich Gedanken machen sollte. Sie hatte ihren ersten Gatten nicht nur mit Dieffenbach betrogen. Seltsam. Die Zeit, in der er in Bezug auf Johanna so etwas wie Eifersucht empfunden hatte, war irgendwann verflogen.

«Ja, Ludwig ist hier und hat unseren Gästen eine sehr interessante Lesung gehalten», sagte sie mit aggressivem Unterton. «Nur auf meinen Gatten mussten sie wieder einmal verzichten. Unser geschätzter Minister von Humboldt wartet übrigens ungeduldig auf dich!»

«Ehemaliger Minister», korrigierte Dieffenbach.

Johanna machte eine wegwerfende Handbewegung. Das war nicht der springende Punkt!

Obgleich auch Wilhelm von Humboldt zu den verflossenen Liebhabern seiner Frau zählte, mochte ihn Dieffenbach und war gern der Hausarzt der Familie. Ihm hatte er es unter anderem zu verdanken, dass er sich diese teure Wohnung und seine Pferde leisten konnte. Wilhelm von Humboldt wurde nicht müde, ein Loblied auf den Arzt seiner Wahl zu singen und ihm so gut betuchte Patienten für seine Pr