Prolog
Medina del Campo, 1504
Isaura schritt langsam dahin. Es war dunkel um sie herum, sodass sie nur schemenhafte Konturen wahrnehmen konnte. Ihre Bewegungen waren schwerfällig, als würde sie durch Wasser waten, und doch war sie sich sicher, den Klang ihrer Schritte auf einem Holzfußboden zu hören.
Isaura ging auf das Ende des langen Raumes zu, wo durch eine geöffnete Tür ein Lichtschein auf den Boden fiel. Sie konnte das Muster der Einlegearbeiten erkennen, doch als sie näher kam und das kunstvolle Parkett bewundern wollte, wirbelte Nebel um ihre Füße auf.
Ärgerlich runzelte Isaura die Stirn. Das alles war so unwirklich. Sicher träumte sie und würde gleich erwachen. Sie trat durch die Tür in die Helligkeit und musste geblendet für einen Moment die Augen schließen. Als sie sie wieder öffnete, war der Nebel von ihren Füßen aufgestiegen und umwirbelte sie in kühlen weißen Schwaden. Vorsichtig streckte Isaura ihre Arme aus und tastete sich weiter voran. Nach ein paar Schritten hatte sie das Gefühl, der Nebel würde sich lichten. Eine dunkle Gestalt schälte sich aus dem Weiß. Die Konturen verdichteten sich. Eine Frau kam langsam auf sie zu. War da eine Tür? Sie ahnte einen golden schimmernden Rahmen. Als ein Windhauch den Nebel erfasste und verwehte, bemerkte sie ihren Irrtum. Nein, das war keine Tür. Das war ein großer Spiegel, auf den sie zutrat. Und die Frau, die langsam näher kam und sie ernst anblickte, war sie selbst. Oder zumindest hätte sie es sein müssen, wenn das vor ihr ein Spiegel war. Isaura trat näher und hob grüßend die Hand. Die Frau im Spiegel tat es ihr gleich.
Natürlich.
Noch zwei Schritte, und Isaura erblickte ihre eigenen Gesichtszüge, kein Zweifel, doch wann war sie so gealtert? Ja, sie hatte in letzter Zeit viel durchgemacht, aber diese Falten gehörten nicht zu ihr, und diese Augen hatten viel zu viel Leid gesehen! Isaura wollte gar nicht wissen, was diese tiefe Traurigkeit verursacht hatte. Sie wollte dieses gealterte Ich überhaupt nicht sehen, und dennoch gelang es ihr nicht, den Blick abzuwenden. Er saugte sich geradezu an den tiefen Linien der Entbehrung fest, wanderte über die Wangen und Augen hinauf über die fast noch glatte Stirn bis zu dem streng zurückgekämmten Haar, das unter einer altmodischen Haube verschwand. Dennoch war so viel vom Ansatz zu sehen, um sie erkennen zu lassen, dass es weiß war. Unwillkürlich fasste sich Isaura in ihr Haar, das dunkelbraun in dichten Wellen hätte herabfallen müssen.
Ihre Hand zuckte zurück, als sie den steifen Stoff der Haube berührte und die straff zurückgekämmten Strähnen, die darunter verschwanden.
Das war unmöglich! Mit Erschrecken sah Isaura an sich herab. Nun fühlte sie, wie unbequem die steife Kleidung war, die sie trug. Der Rock reichte ihr bis über die Füße. Das Leibchen lag eng an den Schultern und den Armen an und lief dann in der Taille in einer langen Spitze aus. Rock und Leibchen waren schwarz wie auch die Haube auf ihrem Kopf. Nur ihr Gesicht und das Haar leuchteten ihr geisterhaft entgegen. Isaura öffnete den Mund, doch es kam kein Wort heraus.
Was für ein Glück, dass dies nur ein Traum sein konnte. Ein Albtraum, aus dem sie schon