: Megan Goldin
: Girl in the Night - Wer ist dein Mörder? Thriller
: Piper Verlag
: 9783492999953
: 1
: CHF 8.10
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Podcast meets Hochspannung - In Megan Goldins neuem Roman stößt eine True-Crime-Podcasterin auf einen Cold Case und kommt einem grausamen Verbrechen auf die Spur ... Für ihren True-Crime-Podcast reist Investigativjournalistin Rachel in die beschauliche Küstenstadt Neapolis, um über einen dortigen Vergewaltigungsprozess zu berichten. Kaum angekommen, erhält sie anonyme Briefe, die auf einen Cold Case hindeuten, der große Parallelen zum aktuellen Fall aufweist: Vor 25 Jahren ertrank nachts eine junge Frau im Meer. Obwohl ihr Körper Spuren von Misshandlung zeigte, wurde ihr Tod schließlich als Unfall deklariert. Rachel beginnt, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen, und gerät dabei in einen gefährlichen Sumpf aus Lügen und Geheimnissen ... »Unglaublich stark!« Kirkus Reviews »Hervorragend ... [Goldins Thriller] wirft ein gleißendes Licht auf die Machenschaften in einer Kleinstadt.« Publishers Weekly  »Eine brandgefährliche Geschichte und eine hochspannende Erzählweise machen Girl in the Night zu einem wahren Pageturner.« Sarah Pekkanen, Autorin des Bestsellers »Die Frau ohne Namen« »Fantastisch - eines meiner Lieblingsbücher.« Lee Child über Megan Goldins Thriller »The Escape Game - Wer wird überleben?«

Die Australierin Megan Goldin arbeitete zunächst als Auslandskorrespondentin für ABC und Reuters in Asien und im Nahen Osten, mit Schwerpunkt auf Berichterstattungen aus Kriegsgebieten. Nach der Geburt ihres dritten Sohnes kehrte sie in ihre Heimatstadt Melbourne zurück und begann, Spannungsromane zu schreiben. »The Escape Game - Wer wird überleben?« ist nach »The Wrong Girl - Die perfekte Täuschung« ihr zweiter packender Psychothriller.

3


Rachel


Kaum war die Ampel auf Grün umgesprungen, trat Rachel das Gaspedal durch und schoss über die Kreuzung auf ihr Hotel zu. Es war ein modernes Vier-Sterne-Hotel an einer Strandstraße gegenüber der neuen Marina der Stadt, wo die Boote der Tagesbesucher eine glänzende weiße Reihe bildeten. Am größten Boot hing ein riesiges rotes Banner, mit dem für Tagesausflüge und Sportfischen zu den günstigsten Preisen in der Stadt geworben wurde.

Rachel überließ ihren Wagen dem Parkservice des Hotels und rollte ihren Koffer zur Rezeption. Check-in war erst in einer Stunde, aber man hatte ihr versprochen, ihr das Zimmer bereits früher zur Verfügung zu stellen.

Rachel war bewusst einige Tage vor dem Prozess in Neapolis eingetroffen, um Gewährsleute zu finden und die Menschen und den Rhythmus der Stadt kennenzulernen. Sie stand unter enormem Druck, die dritte Staffel besser zu machen als die letzten beiden. Eine Reihe von Nachahmern kopierte ihr ursprüngliches Format, mit unterschiedlichen Resultaten. Schuldig oder nicht schuldig musste frisch und wegweisend bleiben, sonst lief sie Gefahr, in der Versenkung zu verschwinden, weil sie von ehrgeizigen Rivalen überholt wurde. Kurz gesagt musste sie einen Podcast abliefern, der die ersten beiden Staffeln um Längen übertraf. Misserfolg war keine Option, das wusste Rachel. Deshalb hatte sie für Staffel drei einen Fall ausgewählt, der hochaktuell und kontrovers war und das Zeug hatte, für Gespräche in der Teeküche wie auch am Esstisch zu sorgen.

Zum ersten Mal würde sich Schuldig oder nicht schuldig mit einem aktuellen Prozess befassen, der gerade im Gericht stattfand. In den vorherigen Staffeln hatte Rachel alte Fälle aus früheren Jahren aufgegriffen, bei denen alles mit zeitlichem Abstand im Rückblick betrachtet wurde und zu denen im Internet massenhaft Informationen zur Verfügung standen.

Von einem Gerichtsverfahren zu berichten, das gerade stattfand, würde die Zuhörer auf eine virtuelle Geschworenenbank versetzen. Rachel würde ihnen Zeugenaussagen und Beweise in Echtzeit übermitteln, so wie sie im Gerichtssaal vorgetragen wurden, als wären die Zuhörer richtige Geschworene. Jede und jeder würde für sich aufgrund der Beweislage zu einem Urteil kommen können, während die Geschworenen berieten.

Staffel drei würde Rachels Durchhaltevermögen stärker fordern als alles zuvor. Sie plante, tagsüber im Gericht zu sein und abends die Podcast-Episoden aufzunehmen und dazu – sooft es ihr möglich war – auf der Webseite des Podcasts Zusammenfassungen des Geschehens im Gerichtssaal und Transkripte von Zeugenaussagen zu veröffentlichen. Das alles würde sie ohne Pete an ihrer Seite machen müssen. Er hatte einen Motorradunfall gehabt und konnte sie nicht begleiten. Aber er hatte darauf bestanden, ihr so gut wie möglich vom Krankenhausbett aus zu helfen.

Rachels erstes Interview sollte später am Nachmittag stattfinden, und sie wollte sich frisch machen und etwas anziehen, das bei der schwülen Hitze passender war. Vor allem wollte sie auspacken, damit sie anschließend die Stadt erkunden konnte, bevor ihre hektische Arbeitsphase begann. Ihr sank ein wenig der Mut, als ihr der Rezeptionist mitteilte, ihr Zimmer würde noch gereinigt.

Rachel ging in das Hotelcafé und setzte sich an einen kleinen runden Tisch. Hinter ihr stand ein vergoldeter Vogelkäfig. Sie nahm an, dass er nur zur Zierde diente, bis sie etwas rascheln hörte. Sie drehte sich um und sah einen braunen Vogel mit einem rötlichen Schwanz, der lustlos in seinem Futter herumscharrte. Ein Kellner kam vorbei. Sie rief ihn an ihren Tisch und bestellte ein Glas frisch gepressten Orangensaft.

»Was für ein Vogel ist das?«, fragte sie, als der Kellner mit ihrem Getränk kam.

»Eine Nachtigall«, erwiderte er. »Der Geschäftsführer hielt es für eine nette Idee, einen Singvogel in der Lobby zu haben. Das Problem ist, der Vogel kann nicht singen. Ich habe ihn nie auch nur piepsen gehört. Ein schöner Anblick ist er auch nicht gerade. Ehrlich gesagt glaube ich, der ist gar nicht echt. Ich glaube wirklich nicht, dass das eine Nachtigall ist.«

»Nun, ich bin nicht gerade eine Vogelexpertin, aber sogar ich sehe, dass dieser Vogel nicht glücklich ist«, erwiderte Rachel.

»Vielleicht.« Der Kellner zuckte hilflos mit den Schultern, als wollte er ihr zu verstehen geben, dass er auf das Wohlergehen des Vogels keinen Einfluss habe. »Sie sind wegen des Prozesses hier, stimmt’s?«, wechselte er das Thema.

»Wie kommen Sie darauf?« Rachel war schlagartig auf der Hut.

»Sie wirken nicht wie eine Urlauberin. Der Geschäftsführer meinte, wir würden ein paar Gäste bekommen, die sich wegen des Prozesses hier aufhalten. Medienleute. Auch Rechtsanwälte.«

Rachel wusste, dass er herauszufinden versuchte, in welche Kategorie sie fiel, aber sie hatte nicht vor, seine Neugier zu befriedigen. Es hatte seinen Grund, dass sie sich unter Petes Nachnamen im Hotel angemeldet hatte. Sie wollte nicht, dass irgendjemand im Hotel ihren richtigen Namen kannte.

»Ich vermute, der Prozess ist hier in der Gegend ein sehr emotionsgeladenes Thema«, sagte sie.

»Es wird gelegentlich hitzig«, gab er ihr recht. »Jeder kennt den Jungen, um den es geht. Einige persönlich, andere vom Hörensagen. Er ist hier ziemlich berühmt. Und die Stadt ist klein genug, dass sich so ziemlich jeder denken kann, wer das Mädchen ist, obwohl sein Name in den Zeitungen nicht erwähnt wird.«

»Wenn jeder jeden kennt, wundert es mich, dass die Verhandlung nicht in einen anderen Gerichtsbezirk verlegt wurde.«

»Ich habe gehört, dass sich der Richter geweigert hat, sie zu verlegen. Er hat gemeint, er hätte Vertrauen in die Geschworenen. Ich denke, er hat recht. Sie werden unparteiisch urteilen. Ich glaube nicht, dass hier jeder jeden kennt. Vielleicht früher mal. Neapolis ist kein so kleiner Ort mehr.«

»Leben Sie hier schon länger?«, fragte Rachel.

»Meine Eltern sind hierhergezogen, als ich zum Studieren gegangen bin. Ich besuche sie im Sommer und arbeite die Urlaubssaison über im Hotel.« Während er sprach, wischte er den Tisch neben Rachel ab.

»Dann gefällt es Ihnen wohl, wenn Sie jeden Sommer kommen, oder?«

»Es ist prima für Kinder und für alte Leute. Wenn man in meinem Alter ist, kann man hier nicht viel machen. Jobs gibt es hier jedenfalls keine«, fügte er hinzu. »Mein Dad sagt, diese Stadt kommt auf keinen grünen Zweig. Die Fabriken haben zu kämpfen. Fischfang und Tourismus bringen das meiste Geld. Auf beide ist kein Verlass. Der Fischfang war mal gut. Jetzt nicht mehr so. Und der Tourismus hängt immer von der Hurrikansaison ab.«

Rachels Telefon klingelte. Es war Pete. Der Kellner blieb in der Nähe und rückte Stühle gerade, die es eigentlich nicht nötig hatten. Rachel war klar, dass er ihr Gespräch mithören wollte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, überlegte er krampfhaft, wieso ihm ihre Stimme so bekannt vorkam.

Das passierte regelmäßig. Rachels leise, gehauchte Radiostimme war sofort zu erkennen. Sie war ihr Markenzeichen. Das und ihr Anliegen, ihr Publikum mit Überlegungen zu den Missständen im Justizsystem zu konfrontieren, denen sie für ihren Podcast auf den Grund ging. Die Kombination machte ihre Hörer süchtig.

»Rachel Krall hat reale Verbrechen auf die gleiche Art sexualisiert, wie Nigella Lawson Spiegeleiern Sex-Appeal verliehen hat«, hatte ein Journalist in seiner Kolumne geschrieben. »Kralls verführerische Stimme und ihre Überlegungen verleihen ihrem Podcast über reale Verbrechen die Intimität eines Bettgesprächs. Kein Wunder, dass er der erfolgreichste Podcast im Land ist. Vermutlich könnte Ms Krall auch einen Podcast zu trocknender Farbe machen, und die Leute würden ihr bei jedem Satz an den Lippen hängen und dem seidigen Klang ihrer Schlafzimmerstimme lauschen.«

»Ich konnte deine Nachrichten nicht richtig verstehen, Rach«, sagte Pete. »Die Verbindung war grauenhaft. Aber ich...