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Seit dem Verlassen von Paolos Haus hatte sie sich nur noch abgehetzt. Sie war nach Hause geeilt, hatte eilig alles zusammengepackt, obwohl ihre Mutter und ihre Stiefschwester ihr im Weg standen. Sie wollten unbedingt noch mit ihr zu Mittag essen. Die Mutter, Signora Marianna, konnte einfach nicht hinnehmen, dass keine ihrer Bemühungen ihre älteste Tochter zur Rückkehr nach Palermo bewegen konnte. Nicht einmal der Versuch, Paolo Malfitano zu Federicos Party einzuladen, hatte dazu beigetragen, Vanina nach Palermo zurückzulocken. Ihr wurde nicht einmal die Zeit gewährt – und davon brauchte sie wirklich wenig –, sich wieder an ihre Anwesenheit zu gewöhnen, da reiste sie auch schon wieder in demselben Eiltempo ab, mit dem sie vor einigen Wochen plötzlich ins Haus gestürmt war.
Als Adriano Calì sie anrief, war sie bereits auf halber Strecke zwischen Palermo und Catania.
»Vanina, wo steckst du?«, fragte der Gerichtsmediziner.
»Ich halte gleich an der Raststation von Enna.«
»Ach, da erwische ich dich wohl immer!«
Vanina lachte. »Das ist wahr. Jedes Mal, wenn ich hier pausiere, rufst du mich an und störst mich bei meinem Espresso.« Das letzte Mal hatte er sie angerufen, als sie ein paar Monate zuvor nach Palermo gefahren war, um im Gefängnis Ucciardone einen Mafiaaussteiger zu vernehmen. Da hatte sie Paolo Malfitano nach Jahren zum ersten Mal zufällig wiedergesehen.
»Eine Kaffeepause? Wie ich dich kenne, trinkst du mindestens einen Cappuccino, isst einen Nutellamuffin und rauchst eine Zigarette. Und du steigst erst wieder ins Auto, wenn du dich mit Schokolade für die ganze Woche eingedeckt hast«, hörte sie ihn kichern.
»Adriano Calì, weißt du, was du mich mal kannst?«
»Sei doch nicht so empfindlich!«
»Verrätst du mir, warum du mich anrufst?«
»Du hast recht. Ich rufe dich an, um dich über die Männerleiche am Flughafen zu informieren. Ich habe Spanò bereits alles erzählt, würde dir aber gern persönlich meine ersten Eindrücke schildern.«
»Und?«
»Er ist heute Morgen gegen sieben Uhr gestorben. Schusswunde ins Herz, wahrscheinlich von rechts.«
»Was heißt das?«
»Dass der Angreifer höchstwahrscheinlich auf dem Beifahrersitz saß.«
»Woran ist das zu erkennen?«
»Natürlich kann ich mir bis zur Obduktion noch kein genaues Bild machen. Aber aufgrund der Tatsache, dass die Leiche in einer ruhenden Position lag, und nach einer ersten Untersuchung der Einschusswunde scheint die Kugel schräg eingedrungen und von rechts abgefeuert worden zu sein.«
»Wann wirst du mit der Obduktion anfangen?«
»Heute Nachmittag.«
»Sehr zuvorkommend.«
»Du weißt ja, dass deine Leichen Sonderstatus genießen. In meiner Klinik gibt es keine Warteliste für sie.«
»Du bist ein wahrer Freund, danke.«
»Je schneller ich mich dranmache, desto schneller bringe ich es hinter mich. Denn deine Leichen, liebe Vaninuzza, sind immer …«
»Das nervt, ich weiß«, unterbrach ihn Vanina und nahm ihm die Erklärung vorweg. »Du sagst jetzt besser nichts. Beinahe hattest du mich so weit, dass ich dachte, du tätest mir einen Gefallen damit. Aber wenn wir so weitermachen, dann willst du nicht mehr mit mir arbeiten.«
»Das stimmt nicht! Aber du musst zugeb