: Lucinda Riley
: Die Mitternachtsrose Roman
: Goldmann
: 9783641125554
: 1
: CHF 9.80
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 592
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Von den verborgenen Geheimnissen eines englischen Herrenhauses zu der Pracht indischer Paläste
Innerlich aufgelöst kommt die junge amerikanische Schauspielerin Rebecca Bradley im englischen Dartmoor an, wo ein altes Herrenhaus als Kulisse für einen Film dient, der in den 1920er Jahren spielt. Vor ihrer Abreise hat die Nachricht von Rebeccas angeblicher Verlobung eine Hetzjagd der Medien auf die junge Frau ausgelöst, doch in der Abgeschiedenheit von Astbury Hall kommt Rebecca allmählich zur Ruhe. Als sie jedoch erkennt, dass sie Lady Violet, der Großmutter des Hausherrn Lord Astbury, frappierend ähnlich sieht, ist ihre Neugier geweckt.
Dann taucht Ari Malik auf: ein junger Inder, den das Vermächtnis seiner Urgroßmutter Anahita nach Astbury Hall geführt hat. Je mehr Rebecca aber in die Vergangenheit und in ihre Rolle eintaucht, beginnen Realität und Fiktion zu verwischen - und schließlich kommt sie nicht nur Anahitas Geschichte auf die Spur, sondern auch dem dunklen Geheimnis, das wie ein Fluch über der Dynastie der Astburys zu liegen scheint...

Lucinda Riley wurde in Irland geboren und verbrachte als Kind mehrere Jahre in Fernost. Sie liebte es zu reisen und war nach wie vor den Orten ihrer Kindheit sehr verbunden. Nach einer Karriere als Theater- und Fernsehschauspielerin konzentrierte sich Lucinda Riley ganz auf das Schreiben - und das mit sensationellem Erfolg: Seit ihrem gefeierten Roman »Das Orchideenhaus« stand jedes ihrer Bücher an der Spitze der internationalen Bestsellerlisten, allein die Romane der »Sieben-Schwestern«-Serie wurden weltweit bisher 30 Millionen Mal verkauft. Lucinda Riley lebte mit ihrem Mann und ihren vier Kindern im englischen Norfolk und in West Cork, Irland. Sie verstarb im Juni 2021.

Ein Jahr später

Ich erinnere mich. In der Nacht erscheint schon die sanfteste Brise wie eine himmlische Erholung von der ewigen trockenen Hitze in Jaipur. Oft klettern die anderen Frauen und Kinder der zenanaund ich zu den Dächern des Mondpalastes hinaufund schlafen dort

Wenn ich da liege und zu den Sternen hochblicke, höre ich dieses Singen und weiß, dass ein geliebter Mensch von der Erde genommen und sanft nach oben getragen wird

Ich schrecke aus dem Schlaf hoch und finde mich in meinem Zimmer in Darjeeling wieder, nicht auf dem Dach des Palasts in Jaipur. Es war ein Traum, versuche ich, mich ein wenig desorientiert zu beruhigen, als der Gesang in meinen Ohren nachhallt, obwohl mir klar ist, dass ich wach bin.

Ich weiß, was das bedeutet: Gerade stirbt jemand, den ich liebe. Mein Herzschlag beschleunigt sich, ich schließe die Augen und gehe im Geist meine Familie durch, um herauszufinden, wer.

Ohne Erfolg. Merkwürdig, denke ich, denn noch nie zuvor haben die Götter sich geirrt.

Wer…?

Ich atme tief durch, horche in mich hinein.

Und plötzlich weiß ich es.

Mein Sohn… mein geliebter Sohn.

Tränen treten mir in die Augen. Um mich zu trösten, blicke ich durchs Fenster hinauf zum Himmel. Und sehe nur dunkle Nacht.

Es klopft leise an der Tür, und Keva tritt mit besorgter Miene ein.

»Madam, ich habe Sie weinen hören. Sind Sie krank?«, fragt sie, kommt zu mir und fühlt meinen Puls.

Ich schüttle stumm den Kopf, während sie mit einem Taschentuch die Tränen von meinen Wangen wischt.»Nein«, beruhige ich sie.»Ich bin nicht krank.«

»Was ist dann? Haben Sie schlecht geträumt?«

»Nein.« Sie wird es nicht verstehen.»Mein Kind ist gerade gestorben.«

Keva sieht mich entsetzt an.»Woher wissen Sie, dass Madam Muna tot ist?«

»Nicht meine Tochter, Keva, sondern mein Sohn, den ich vor so vielen Jahren in England zurücklassen musste. Er ist einundachtzig Jahre alt geworden«, murmle ich.»Immerhin hatte er ein langes Leben.«

Keva legt verwirrt eine Hand auf meine Stirn, um zu prüfen, ob ich Fieber habe.»Madam, Ihr Sohn ist schon lange tot. Wahrscheinlich haben Sie geträumt.«

»Möglich«, sage ich, um sie nicht zu beunruhigen.»Notiere bitte trotzdem Datum und Stunde für mich. Diesen Augenblick möchte ich nicht vergessen. Die Zeit des Wartens ist vorüber.«

Sie tut mir den Gefallen und gibt mir den Zettel.

»Ich komme jetzt allein zurecht. Du kannst gehen.«

»Sehr wohl, Madam. Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist?«

»Ja. Gute Nacht, Keva.«

Als sie das Zimmer verlässt, schreibe ich einen kurzen Brief. Dann hole ich die abgegriffene Sterbeurkunde meines Sohns aus der Schublade des Nachtkästchens. Morgen soll Keva beides in einen Umschlag stecken und diesen an den Anwalt schicken, der meinen Nachlass regeln wird. In dem Brief bitte ich ihn, mich anzurufen, damit ich ihm sagen kann, an wen er den Umschlag nach meinem Tod senden soll.

Ich schließe die Augen, um zu schlafen. Plötzlich fühle ich mich hier auf Erden sehr allein, und mir wird klar, dass ich auf diesen Moment gewartet habe. Bald werde ich meinem Sohn folgen…

Drei Tage später klopfte Keva zurüblichen Zeit an der Tür ihrer Herrin. Nicht sofort eine Antwort zu erhalten war nichts Ungewöhnliches, denn Madam Chavan döste oft bis spät in den Vormittag hinein. Also erledigte Keva eine halbe Stunde lang andere Dinge im Haushalt, bevor sie noch einmal klopfte und wieder keine Reaktion erfolgte. Das war nun allerdings ungewöhnlich. Als Keva leise die Türöffnete, stellte sie fest, dass ihre Herrin tief und fest schlief. Erst nachdem sie die Vorhänge zurückgezogen und ihr dabei wie immer Belanglosigkeiten erzählt hatte, merkte sie, dass Madam Chavan nicht antwortete.

Aris Handy klingelte mitten im chaotischen Verkehr von Mumbai. Als er die Nummer seines Vaters sah, mit dem er Wochen nicht gesprochen hatte, ging er ran und stellte laut.

»Papa!«, rief er fröhlich aus.»Wie geht’s?«

»Hallo, Ari, gut, aber&hel