: Hera Lind
: Mit dem Mut zur Liebe Roman nach einer wahren Geschichte | Der Nr.-1-SPIEGEL-Bestseller-Tatsachenroman | Die dramatische Geschichte einer unglaublichen Flucht
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426463581
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 496
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Erst ein dramatischer Unfall, dann die waghalsige Flucht aus der DDR: Im Tatsachenroman »Mit dem Mut zur Liebe« erzählt Nummer-1-Bestseller-Autorin Hera Lind die wahre Liebesgeschichte der Artisten Dieto und Johanna. Es ist Liebe auf den ersten Blick, als sich Johanna und Dieto 1957 in Dresden zum ersten Mal begegnen. Ihre Väter waren zusammen in russischer Kriegsgefangenschaft, und beide bringen ihren Kindern die artistischen Kunststücke bei, die ihnen den sicheren Tod im Arbeitslager erspart haben. Doch als das junge Artistenpaar nach hartem Drill schließlich Weltniveau erreicht, muss Dieto sich drei Jahre beim Militär verpflichten. Das junge Paar flieht Hals über Kopf in einem Schlauchboot über die Adria, wo sie nur mit Badesachen bekleidet nach 36 Stunden völlig erschöpft ankommen .Da wird ihnen bewusst, dass sie ohne ihr Equipmentkeine Existenz aufbauen können. Dieto lässt Johanna bei Fremden zurück und versucht es ein zweites Mal. ... Ergreifend und voller Hoffnung erzählt der dramatische Tatsachenroman von Bestseller-Autorin Hera Lind die wahre Geschichte eines ganz normalen Paares aus der DDR, dessen Liebe über alle Grenzen trägt.

Hera Lind studierte Germanistik, Musik und Theologie und war klassische Sängerin, bevor sie mit Romanen wie Das Superweib, Der gemietete Mann und Die Champagner Diät sensationellen Erfolg hatte.  Mit ihren Tatsachenromanen, die alle auf wahren Geschichten beruhen, erobert Hera Lind immer wieder verlässlich die vordersten Plätze der SPIEGEL-Bestsellerliste.Hera Lind lebt mit ihrer Familie in Salzburg, wo sie auch Schreibseminare anbietet.

Dresden,
Februar 1945


Nebenan arbeiteten viele magere schmutzige Frauen an langen Tischen im Freien.

»Was machen die denn da?« Neugierig lugte ich durch das Loch im Fenster, das ich mit meinem warmen Atem frei gehaucht hatte. »Die frieren doch!«

»Das sind polnische Zwangsarbeiterinnen.« Mein zwölfjähriger Bruder Manfred versuchte, mich an den Hosenträgern von der Fensterbank zu zerren, auf die ich vierjähriger Bub geklettert war. »Lass das nicht die Mama sehen, du kleiner Akrobat!«

»Was ist ein Akrobat?« Energisch schüttelte ich die brüderlichen Hände ab. Viel zu spannend war das gruselig schaurige Geschehen dort hinter dem Stacheldraht. Es schneite in dicken nassen Flocken, der eiskalte Wind bog die wenigen hässlichen kahlen Sträucher unbarmherzig zu Boden und gab den Blick auf ärmlichste der trostlosen Baracken frei. Ab und zu huschte eine der armen, ausgemergelten Frauen an eine Mauer, um auf einem Eimer ihre Notdurft zu verrichten. Ihre Mäntel und Jacken waren zerschlissen, zerrissen und glichen eher Lumpensäcken als Kleidung. Manche wateten sogar barfuß durch den grauschwarzen Schlamm und Schnee. Schon beim Hinsehen erschauderte ich. Zwischen Stacheldraht und den Bahngleisen, die direkt an unserem Hinterhaus vorbeiführten, bewacht von bewaffneten Soldaten, schufteten die armen Frauen erbärmlich frierend und sichtbar unterernährt im Stehen vor sich hin. Die Eisenbahnlinie Dresden–Berlin war das nächtliche Ziel der Bomber, und ich spürte, nicht nur wir waren in Gefahr, sondern auch diese armen Frauen. Aber die hatten nicht mal eine kleine Wohnung im ersten Stock, so wie wir.

»Ein Akrobat ist ein Künstler, der Tricks kann!« Manfred zerwuselte mir das störrische Haar, das schon lange keinen Kamm oder Bürste mehr gesehen hatte. »Und die Frauen da draußen arbeiten für die Fabrik Essig-Kühne. Die müssen Gurken in Gläser füllen und für die Soldaten an der Front verpacken.«

»Aber die dürfen sie nicht essen?!« Schon war ich wieder auf die Fensterbank gekrabbelt und drückte mir die Nase platt. »Die sehen so verhungert aus!«

»Nee, Kleiner. Dürfen die nicht. Das sind Kriegsgefangene aus Polen.« Manfred lugte nun auch durch das Guckloch in der zugefrorenen Scheibe. »Wer denen hilft, kriegt selber Ärger. Manche Leute sagen sogar Polackenpack zu ihnen und spucken vor denen aus.«

»Wir aber nicht, oder?«

»Natürlich nicht. Das sind doch Menschen.«

Mein Herz zog sich vor Mitleid zusammen. »Können wir denen denn nicht heimlich was zu essen reinschmeißen? Wir sind doch keine Feiglinge, oder?«

»Du hast recht, kleiner Mann.« Manfred hob mich energisch von der Fensterbank. »Hör zu, Brüderchen. Wir gehen jetzt raus auf den Hof und spielen mit dem Ball, und wenn die Aufseher nicht hingucken, lasse ich den Ball einfach auf das Gelände rollen. Du schlüpfst dann durch das kleine Loch im Zaun und heulst laut und machst Theater und suchst den Ball, und in der Zeit lasse ich ein halbes Brot ins Gestrüpp fallen.«

»Was habe ich da gerade gehört, Kinder?« Wie aus dem Nichts stand plötzlich unsere Mama in der Tür. Sie rieb sich die eiskalten Hände, die in abgerissenen Strickhandschuhen steckten, und blies hinein. Sie hatte noch ihren Mantel an, war sie doch gerade mit den letzten Essensmarken einkaufen gewesen. Das Netz mit den kümmerlichen Habseligkeiten, die sie ergattert hatte, lag auf dem wackeligen Küchenstuhl.

»Wir wollen den armen polnischen Zwangsarbeiterinnen helfen, Mama!« Manfred blickte sie aus seinen grauen Augen bittend an. »Wir können doch nicht zusehen, wie sie vor unseren Augen verhungern!«

»Nein, das können wir nicht.« Mama machte ein ernstes Gesicht. »Ich überlasse euch die Entscheidung.« Ihr Blick fiel auf das halbe Brot im Einkaufsnetz, das in grobes Papier gepackt war. »Dann haben wir heute Abend eben nichts zu essen.«

»Wir haben nicht so viel Hunger wie die Zwangsarbeiterinnen da draußen.« Das schwierige Wort wollte mir so recht noch nicht über die Lippen. Eifrig griff ich nach dem Brot und roch daran. Es war alt und schwer, die Erwachsenen nannten es Kommissbrot. Mein Magen zog sich vor Hunger zusammen, aber mein Gerechtigkeitss