Eins
Blix
Ich hätte nicht herkommen sollen. So viel steht fest. Es ist noch nicht mal fünf Uhr nachmittags, und ich würde schon jetzt am liebsten schnell und schmerzlos ins Koma fallen. Irgendetwas Dramatisches, mit einem schönen Zusammenbruch, verdrehten Augäpfeln und zitternden Gliedmaßen.
Ich bin auf der alljährlichen Nach-Weihnachts-Party meiner Nichte. Alle Jahre wieder werden die Gäste, die nach wochenlangem Geschenke-Shopping, Weihnachtsfeiern und verkaterten Feiertagen kaum noch in der Lage sind, geradeaus zu laufen, von Wendy Spinnaker gezwungen, sichnoch einmal in ihre roten Pullis und karierten Hosen zu schmeißen und stundenlang in ihrem Wohnzimmer herumzustehen, damit sie ihre überteuerte Weihnachtsdeko und ihre aufgemotzte Villa bewundern können, während sie einen absurd roten Cocktail schlürfen, der ihnen von einer Highschool-Schülerin in Kellnerinnenuniform serviert wird.
Ich glaube ja, der einzige Sinn und Zweck dieser Veranstaltung ist der, dass meine Nichte all die netten Menschen in Fairlane, Virginia, daran erinnern kann, dass sie eine prominente Persönlichkeit ist und außerdem stinkreich – eine ernst zu nehmende Größe. Edle Spenderin für wohltätige Zwecke. Vorsitzende von einem Haufen Dinge. Ehrlich gesagt habe ich darüber längst den Überblick verloren.
Ich bin versucht, aufzustehen und um Handzeichen zu bitten.Wessen Seele ist auch innerhalb der letzten paar Stunden komplett verdorrt? Wer schließt sich meiner Polonaise an, die schnurstracks aus der Haustür hinausführt? Ich bin mir sicher, es gäbe so einige Interessenten. Und meine Nichte würde mich im Schlaf ermorden lassen.
Ich wohne weit weg und bin steinalt, also wäre ich eigentlich gar nicht zu dieser Veranstaltung gekommen – meistens bin ich schlau genug, es zu vermeiden –, aber Houndy meinte, ich müsste. Er meinte, ich würde es bereuen, die Familie nicht ein letztes Mal gesehen zu haben, wenn ich nicht käme. Um solche Dinge macht Houndy sich Gedanken – über Sachen, die wir auf dem Sterbebett bereuen und so. Ich glaube, er stellt sich das Ende des Lebens so vor wie das Ende eines guten Romans: etwas, das man mit einer hübschen Schleife versehen sollte, alle Sünden vergeben. Als würde das jemals passieren.
»Ich fahre hin«, habe ich schließlich zu ihm gesagt. »Aber ich erzähle ihnen nicht, dass ich krank bin.«
»Das werden sie dir ansehen«, sagte er. Natürlich haben sie dasnicht.
Noch schlimmer: Ausgerechnet dieses Jahr musste sich mein Großneffe Noah verloben. Deshalb dauert diese Party hier schon eine gefühlte Ewigkeit, weil wir alle auf ihn und seine Verlobte warten, die aus Kalifornien anreisen, damit man seiner Holden die High Society zeigen kann, in die sie einheiraten wird.
»Sie ist irgend so eine Traumtänzerin, die er auf einem Kongress kennengelernt hat. Und irgendwie hat sie es geschafft,