Eine Kriminalgeschichte aus dem wahren Leben
Als Hauptkommissar Neidhard Kardigglding an den Tatort kam, brannten die Halogenscheinwerfer und tauchten den Hinterhof in ein hässliches Licht. Der Mann, der vor seinem silbergrauen Volvo lag, war enthauptet worden, vermutlich mit einer kolumbianischen Machete. Das war dieselbe Tatwaffe, mit der vor ihm bereits sieben Menschen den Kopf verloren hatten. Die Morde waren innerhalb von fünf Wochen passiert, und allmählich wurde es Zeit für einen Verdächtigen. Kommissar Kardigglding hatte mehrere zur Auswahl, und einen von ihnen, da war er sich sicher, würde er zu einem Geständnis bringen.
Kardigglding war der Mann für die harten Fälle. Ausgebildet bei der Kripo in Nürnberg und Hof, war er als 26-jähriger Oberkommissar ins Münchner Morddezernat 4 gekommen, wo er nach einem Jahr zum Hauptkommissar befördert wurde. Jetzt, mit 51, hatte er den Ruf eines Superbullen, vom Innenministerium mehrfach belobigt und überhäuft mit Angeboten aus dem Bundeskriminalamt und dem Verfassungsschutz. Doch Kardigglding war kein Bürohengst, er war ein Macher, ein Ermittler, ein Vernehmer. In seinen Verhören kapitulierten die abgezocktesten Verbrecher. Einen Fall mit wasserdichten Beweisen zur Anklage zu bringen bedeutete für ihn das höchste Glück.
Es war Kardigglding, der vor Jahren einen Junkie dazu brachte, den Mord an einer 84-jährigen Rentnerin zu gestehen. Die Frau war in einer Truderinger Seitengasse überfallen, beraubt und nach heftiger Gegenwehr mit einer 9 mm Sig Sauer erschossen worden. Zu dieser Zeit lag der Junkie auf der Toilette des Pasinger Bahnhofs, aber Kardigglding unterzog ihn einer derart unnachgiebigen Prozedur, dass er schließlich zusammenbrach und den Überfall in allen Einzelheiten schilderte. Der Mann wurde zu elf Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Der CSU-Politiker Beckstein, der damals Innenminister war, gratulierte Kardigglding persönlich zu dem Erfolg und würdigte einmal mehr die legendäre Schule der fränkischen Kriminalpolizei.
Unvergessen auch die Aufklärung des schrecklichen Verbrechens am Weltmeister im Gewichtheben, Sebastian Schädel. Der 110 Kilogramm schwere Sportler war mit brachialer Gewalt auf den noch offenen Balkon im achten Stock eines Hauses gezerrt worden, das gerade entkernt und saniert wurde. Der Täter stieß sein Opfer in die Tiefe, Schädel hatte offensichtlich nicht die geringste Chance sich zu wehren. Nach drei Wochen intensiver Ermittlungsarbeit gelang Hauptkommissar Kardigglding der Durchbruch. Ein elfjähriger, an den Rollstuhl gefesselter türkischer Junge aus Neuperlach verstrickte sich in den Vernehmungen immer mehr in Widersprüche, bis er am Ende zugab, den Gewichtheber an den Beinen gepackt und neben sich her die Treppen in den achten Stock hinaufgeschleift zu haben. Sein Motiv: Eifersucht auf Schädels sportliche Triumphe. Der Junge – er hieß Mustafa Börü – wurde zu fünf Jahren Gefängnis mit anschließender Unterbringung in der Psychiatrie verurteilt. Das Gericht würdigte das Geständnis und den seelischen Konflikt des Angeklagten.
In seinem zweistündigen Porträt über Neidhard Kardigglding bezeichnete der Bayerische Rundfunk den Kommissar als »Grundpfeiler der Gesellschaft und Garant für die Sicherheit in der Stadt München und im gesamten Freistaat«. Kardigglding mache das Leben in Bayern »jeden Tag ein Stück lebenswerter«. Der von der Tochter des Intendanten produzierte Film, den die Süddeutsche Zeitung ein »Musterbeispiel für investigativen Journalismus« nannte, erhielt sowohl den Bayerischen Fernsehpreis in der Kategorie Dokumentation als auch den Spezialpreis beim Filmfestival der Heimatvertriebenen in Wunsiedel.
Innerhalb der bayerischen Polizei galt Kardigglding als Bluthund und als jemand, den – so der Polizeijargon – »man holt, wenn die Scheiße am Kochen ist«. Dies war zum Beispiel der Fall, als in der Nähe von Passau ein Landwirt seine ganze Familie ausrottete und sich hinterher seelenruhig ins Gasthaus setzte, wo er bis vier Uhr morgens Weißbier trank. Nach Überzeugung von Kommissar Kardigglding hatte der Bauer Anselm Bledmannshofer zunächst seine Frau mit einem Hammer erschlagen, danach seine Schwester und zuletzt auch deren Mann. Alle arbeiteten auf dem Anwesen von Bledmannshofer. Nach Aussagen von Zeugen gab es zwischen den Familienmitgliedern seit Monaten heftigen Streit, bei dem es auch zu Gewaltausbrüchen gekommen sei. Wie Bledmannshofer dem Kommissar nach zwei Monaten gestand, habe er »die Bagasch« erst »ausradiert« und hinterher den Schweinen zum Fraß vorgeworfen, die die Leichen vollständig vertilgt hätten. Tatsächlich hatten die Spurensucher der Kripo keinerlei Überreste gefunden. Acht Wochen nach dem fürchterlichen Ereignis und der erfolglosen Tätersuche durch die niederbayerischen Kollegen hatte Kardigglding im Rahmen eines Amtshilfeantrags aus Landshut den Landwirt in sein Münchner Dezernat bestellt.
Dort fing der angetrunkene Mann wie so oft mit der Geschichte seines Bruders an, der sich in seiner Jugend nach Amerika abgesetzt und einen anderen Namen angenommen habe, weil er sich für den eigenen schämte. Wie Bledmannshofer nicht müde wurde zu erzählen, sei sein Bruder Hans inzwischen ein großer Star in Hollywood, was ihm persönlich aber scheißegal