: Stephan Ludwig
: Zorn - Lodernder Hass Thriller
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104903095
: Zorn
: 1
: CHF 9.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 448
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Hauptkommissar Claudius Zorn im Innendienst und der dicke Schröder im Undercovereinsatz - der siebte Band der Kult-Thriller-Serie von Bestseller-Autor Stephan Ludwig Nach seiner schweren Verletzung im Einsatz arbeitet Hauptkommissar Claudius Zorn vorübergehend im Innendienst. Verändert hat sich aber wenig - sein Kollege und Vorgesetzter Schröder macht die Arbeit, Zorn raucht. Eines Abends erwischt Zorn bei einem Spaziergang einen jugendlichen Brandstifter auf frischer Tat. Staatsanwältin Frieda Borck schickt den jungen Mann zu einem Psychiater, der ihm anbietet, sich einer offenen Therapiegruppe anzuschließen. Als ein Mitglied dieser Gruppe zu Tode kommt und andere Gruppenteilnehmer bedroht werden, nimmt Schröder undercover an den Sitzungen teil, um herauszufinden, was vor sich geht. Doch bald ist auch Schröder nicht mehr sicher, und Zorn muss blitzschnell handeln ... Der siebte Fall für Hauptkommissar Claudius Zorn und den dicken Schröder Zorn und Schröder sind auch Fernseh-Stars. Alle Bände der Zorn-Reihe sind mit Stephan Luca und Axel Ranisch in den Hauptrollen fürs Fernsehen verfilmt.

Stephan Ludwig arbeitete als Theatertechniker, Musiker und Rundfunkproduzent. Er hat drei Töchter, einen Sohn und keine Katze. Zum Schreiben kam er durch eine zufällige Verkettung ungeplanter Umstände. Er lebt und raucht in Halle.

Eins


Das ist also das Ende, denkt der kleine Mann.

Er weint nicht. Jammert nicht. Bettelt nicht um sein Leben. Das hat er auch nicht vor. Der kleine, übergewichtige Mann mit der sanften Stimme und dem rosigen Gesicht wirkt unscheinbar, harmlos, doch nur die wenigsten wissen, dass sich hinter dieser Fassade ein eiserner Wille verbirgt, gepaart mit einem messerscharfen Verstand. Der Mann ist klug. Klug genug, um zu wissen, wenn etwas sinnlos ist. Nein, er wird nicht um sein Leben betteln. Jetzt, wo er weiß, mit wem er es zu tun hat. Wozu der andere fähig ist.

Er sieht hinauf in den Nachthimmel. Die Wolken hängen tief über ihm, schmutzig, grau, wie rußgeschwärzt. Ein großer schwarzer Vogel fliegt nach Westen.

Der kleine Mann hat keine Angst. Im Laufe seines gut vierzigjährigen Lebens hat er gelernt, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen. Den Tod seiner Familie. Die Einsamkeit. Den Spott der Menschen, die ihn nicht ernst nehmen, Menschen, die nur auf Äußerlichkeiten bedacht sind. Sie belächeln seine Kleidung, seine Frisur, verwechseln Höflichkeit mit Unsicherheit, machen sich nicht einmal die Mühe, ihn beim Vornamen zu nennen.

Sein Puls geht ruhig, sein Atem flach. Er atmet gepresst durch die Nase, die Lippen fest zusammengekniffen. Reglos liegt er auf dem Rücken, die Beine ausgestreckt, die Hände über dem Kugelbauch gefaltet, den Blick starr nach oben gerichtet. Im ersten Moment könnte man meinen, er meditiere, ein Mann, der am Fluss nach Ruhe und Einkehr sucht, auf einem abgelegenen, verwilderten Uferstreifen hundert Meter unterhalb des Wehrs an der alten Papiermühle. Doch die ungewöhnliche Stellung des kleinen Mannes – Kopf und Oberkörper liegen im seichten Uferwasser, Hüfte und Beine auf der flachen Böschung – passt nicht dazu. Und bei näherem Betrachten bemerkt man, dass sämtliche Farbe aus seinem Gesicht gewichen ist. Sieht die vor Kälte blauen Lippen. Das Klebeband, das sich um seine Handgelenke schlingt. Die rostigen Enden der Eisenstäbe, die links und rechts dicht neben seinem Hals aus dem trüben Wasser ragen, offensichtlich tief in das sandige Flussbett getrieben. Und man erkennt die Gestalt am Ufer, die scheinbar unbeteiligt im Schatten einer knorrigen Trauerweide auf einem umgestürzten Baumstamm hockt, in der Hand einen Ast, mit dem spitzen Ende Muster in den feuchten Sand malend.

Das, wiederholt der kleine Mann in Gedanken, ist also das Ende. Es kommt ein bisschen früh. Ich hätte noch eine Menge zu erledigen gehabt.

Der Schlag mit dem Pistolengriff war hart, doch die Wunde schmerzt kaum. Das muss am Wasser liegen, es ist kalt, Kopf und Oberkörper sind bereits taub. Selbst an den Füßen friert er, was komisch ist, schließlich sind seine Beine trocken. Ansonsten spürt er keine Schmerzen, jedenfalls nicht, wenn er still liegen bleibt. Sein Geist ist klar, er konzentriert sich allein auf das Luftholen. Einatmen. Ausatmen, den Mund gespitzt wie ein Fisch. Der Blick der himmelblauen Augen ist leer, wie nach innen gerichtet.

Keine Angst. Keine Panik. Aber er ärgert sich. Wie ein Dummkopf hat er sich übertölpeln lassen. All die Toten, wie viele waren es? Vier? Fünf? Sie könnten noch am Leben sein. Das Leid, er hätte es verhindern können, wenn er die Zusammenhänge nur früher erkannt hätte.

Der Fluss schiebt sich träge nach Norden, umspült sein Kinn, den Hals. Ohren, Mund und Nase ragen knapp aus dem Wasser. Sein Haar, dünne rötliche Strähnen, hat sich von der Glatze gelöst, treibt neben seinem Kopf in der Strömung wie rostfarb