: Liliane Fontaine
: Die Richterin und das Ritual des Todes Ein Südfrankreich-Krimi
: Piper Verlag
: 9783492998895
: Ein Fall für Mathilde de Boncourt
: 1
: CHF 6.20
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt ermittelt In der Nähe von Nîmes verunglückt die Schülerin eines Eliteinternats bei einem scheinbar tragischen Reitunfall tödlich. Doch bei der Obduktion wird klar: Es war kein Unfall, sondern Mord. Mathilde de Boncourt und ihr Team beginnen ihre Ermittlungen, stoßen bei Schülern wie Lehrern jedoch auf eine Mauer des Schweigens. Bald stellt sich heraus, dass es einen Zusammenhang zu dem rätselhaften Tod eines Schülers ein Jahr zuvor geben könnte. Als auf dem Gelände kurz darauf die Leiche des Sportlehrers aufgefunden wird, muss Mathilde sich fragen, ob womöglich weitere Leben in Gefahr sind ... Mathilde de Boncourt ermittelt: Band 1: Die Richterin und die Tote vom Pont du Gard Band 2: Die Richterin und die tote Archäologin Band 3: Die Richterin und der Kreis der Toten Band 4: Die Richterin und das Ritual des Todes Band 5: Die Richterin und der Tanz des Todes Band 6: Die Richterin und das Erbe der Toten Band 7: Die Richterin und der Todesbote Alle Bände sind in sich abgeschlossene Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.

Liliane Fontaine ist der Geburtsname der Krimiautorin und Kunsthistorikerin Liliane Skalecki, die in Saarlouis nahe der französischen Grenze geboren wurde. Sie promovierte an der Universität des Saarlandes in den Fächern Kunstgeschichte und Klassische und Vorderasiatische Archäologie und wohnt heute mit ihrer Familie in Bremen. Die Autorin besitzt französische Wurzeln und lebt viele Wochen des Jahres in der Nähe von Nîmes, wo sie Kultur, Land und Leute und das Savoir-vivre Südfrankreichs genießt.

Prolog


Sssss. Eine Stechmücke umschwirrte seinen Kopf, bereit, es sich auf einem Stückchen Haut bequem zu machen, zuzustechen und sich eine Mahlzeit zu gönnen. Mit einem Wedeln seiner linken Hand verscheuchte er den winzigen Blutsauger. Sollte der sich sein Opfer doch auf der anderen Seite suchen. Phil würde noch nicht mal was davon bemerken.

Sie teilten sich das Zimmer. Philiberts Reich nahm die rechte Hälfte ein, seines die linke. Die rechte Seite sah immer aus, als hätte eben eine Bombe eingeschlagen. Drohte eine Zimmerkontrolle, verschwanden Klamotten, Bücher, Schuhe und Dreckwäsche im Schrank, der sich dann nur noch mühsam schließen ließ. In die Schränke schaute niemand.

Philibert drehte sich im Bett auf den Bauch, das Schnarchen ebbte für ein paar Sekunden ab. Dann ein tiefer Seufzer. Der Junge nahm wieder seine Rückenschläferposition ein, und das Schnarchkonzert begann mit voller Lautstärke von vorne. Unter normalen Umständen wäre Michel jetzt aufgestanden, hätte Philibert einen ordentlichen Klaps auf den Brustkorb gegeben, ihm zur Not eine Sekunde lang die Nase zugehalten, in der Hoffnung, sein Freund würde endlich eine Stellung finden, in der weniger Bäume ihr Leben lassen mussten.

Doch diese Nacht war keine Nacht wie jede andere. Zum gefühlt hundertsten Mal schaute Michel auf sein Handy. Noch eine halbe Stunde. Und in spätestens zwei Stunden … Er hatte kein Auge zugetan. Aufregung, Vorfreude, aber auch Beklemmung bei der bangen Frage, was nun wirklich auf ihn zukommen würde. Es ging nicht immer zimperlich zu, so viel war ihm klar. Dieses bedrückende Gefühl beherrschte nicht nur seinen Kopf, er spürte es auch körperlich, als ob man ihn ganz eng in etwas eingewickelt hätte. So musste sich ein Insekt fühlen, wenn die Spinne es mit ihren klebrigen Fäden einspann. Ob er unter einer Art Klaustrophobie litt?

Er strampelte die Bettdecke komplett weg. Doch die Befreiungsaktion nutzte nichts. Für einen Moment glaubte Michel, keine Luft mehr zu bekommen. Ein schweres, unsichtbares Gewicht legte sich auf seine Brust, hinderte ihn am Atmen. Der Junge spürte, wie seine Poren winzige Schweißtröpfchen freigaben, die sich wie ein Film auf Gesicht und Nacken legten. Seine blonden, kurz geschnittenen Locken klebten ihm am Kopf. Er setzte sich auf und drehte den Oberkörper in Richtung Klimagerät, das auch in der Nacht brummte und das Zimmer auf angenehme zweiundzwanzig Grad herunterkühlte. Der Spuk verschwand so schnell, wie er gekommen war. Die Haut fühlte sich wieder trocken an, die Beklemmung ließ nach, das Herzrasen ebbte ab. Nur noch ein leichtes Klopfen in seinem Hals blieb davon übrig. Die Vorfreude hatte die Furcht besiegt.

Als die Tür zu seinem Zimmer geöffnet wurde, war Michel mit einem Satz auf den Beinen. Während Philibert den Schlaf der Gerechten schlief, war er bereits in seine blauen Shorts und das weiße Poloshirt geschlüpft, die Sommeruniform der Jungs.

»Chut, kein Licht.«

Michel wurde links und rechts an den Armen gefasst und in Richtung Zimmertür gedreht. Er gab keinen Laut von sich. Das hatte man ihm bereits eingetrichtert – nur nicht auffallen, keinen Lärm machen, nicht kichern. Das Letzte, was man jetzt gebrauchen konnte, war ein Philibert, der aus seinem Tiefschlaf erwachte und sich an die Fersen seines Freundes und Zimmergenossen Michel heftete. Doch um dieses Problem erst gar nicht zu provozieren, hatte man vorgesorgt.

»Hat er das Zeug getrunken?« Weniger als ein Flüstern.

Michel wisperte zurück. »Jeden einzelnen Schluck.«

Philiberts Lieblingsgetränk war an jedem Abend, den der liebe Gott erschuf, ein Becher Kakao, den er geräuschvoll mit einem Strohhalm schlürfte, bevor er in seinen noch geräuschvolleren Schlaf versank. Und es durfte nur Trinkschokolade vonValrhona sein. Nur hatte der dunkle Kakao heute Abend nicht ganz so wie sonst geschmeckt. Eine leichte Bitternote, die Philibert mit einem Achselzucken und der Einschätzung, man solle sich die Zähne nicht vor diesem Genuss putzen, abgetan hatte.

»Heh, muss das sein?«

»Ja, muss sein. Stell dich nicht so an. Wir machen sie später wieder