Moeller setzte das Saxophon an den Mund. Ein rauer, knarrender Ton kam heraus und bildete das erste Element einer flirrenden Tonkaskade.
Moeller schloss die Augen.
Über der leicht swingenden Basslinie des Miles Davis-Standards SO WHAT entwickelte er seine Improvisation. Ein steter Fluss roher, kantiger Töne sprudelte aus seinem Horn.
Appeggi, die manchmal etwas neben der Tonart waren.
Dazwischen auch ein paar Kiekser und Obertöne, von denen sich nur vermuten ließ, in wie weit sie in dieser Form tatsächlich beabsichtigt waren oder nur in Kauf genommen wurden.
Aber was für einen John Coltrane erlaubt gewesen war, das durfte auch Moeller. In dieser Hinsicht war Moeller Anarchist. Er kannte keinen Respekt. Nicht vor Lebenden oder Toten und auch nicht vor den Ohren und Nerven seiner Zeitgenossen und Nachbarn. Vielleicht spielte Moeller etwas schief, aber dafür klang es interessant. Moeller spielte mit mehr Inspiration, als so manche hochgelobte Jazz-Größe. Fand er jedenfalls selbst.
Sein Solo entwickelte sich. Immer gewagtere Tonsprünge und Läufe reihten sich aneinander. Moeller spielte sich in eine Art Rausch. Außer ihm selbst und seinem Instrument war da nur noch der Kopfhörer mit den dicken Muscheln, auf dem er Bass, Klavier und Schlagzeug hörte, die er zuvor mit Hilfe eines Roland-Sound-Moduls und eines Keybords digital eingespielt hatte. Lediglich das Saxophon nahm er akustisch auf und mischte die Tonspur hinterher mit dem Rest ab."Alle wirklich Großen sind längst tot!", pflegte Moeller manchmal zu sagen, weil er das für ein Bonmot hielt. Und er dachte dabei an Charlie Parker, Miles Davis, John Coltrane und vielleicht noch an Duke Ellington. Und er fragte sich regelmäßig, warum er selbst eigentlich noch lebte. Vielleicht, weil du dir einen gesünderen Beruf gewählt hast, dachte er dann.
Moeller hatte irgendwann in grauer Vorzeit mal vor der Alternative gestanden: Entweder ein unsicheres Leben als Musiker oder ein sicherer Job im öffentlichen Dienst.
Und weil er irgendwo in seinem tiefsten Inneren gewusst hatte, dass er eben doch nicht so groß wie Coltrane war, hatte er den sicheren Weg gewählt. Er war Polizist geworden.
Aber war der Kampf gegen das Verbrechen nicht auch etwas, wofür es zu leben lohnte? Der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen und die Schwachen zu schützen? Moeller musste in diesem Zusammenhang immer an die Batman-Comics denken, die er als Junge geles