1. KAPITEL
Anfang Mai
„Lucy.“
„Ben!“ Sie wirbelte herum, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. „Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst.“
Gehofft hatte sie es … allerdings ohne sich irgendwelche Chancen auszurechnen. Jetzt war er da, ihr Herz klopfte, und ihre Knie fühlten sich plötzlich an wie Pudding.
„Eine Patientin hat mich überredet“, antwortete er und lächelte auf diese lässige, sexy Art, die ihn noch attraktiver machte. „Das konnte ich nicht ablehnen. Außerdem war das Essen hier immer spitze.“
Ach, dann war er gar nicht ihretwegen gekommen?
Was hast du denn erwartet?, schalt sie sich. Zwei Jahre waren eine lange Zeit, und seitdem war so viel passiert. Zu viel.
Bemüht, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, wich sie seinem Blick aus. Ben hatte ausdrucksvolle Augen, blau wie der Himmel an einem herrlichen Sommertag … sie hätte darin versinken mögen. Lucy sah zum Grill hinüber. „Zumindest riecht es schon verlockend. Hoffentlich geht es bald los. Seit dem Frühstück habe ich nichts mehr gegessen, und das war noch vor sieben.“
„Hört sich an, als wäre dein Tag nicht besser gewesen als meiner.“
Sie hörte seine tiefe Stimme dicht neben sich, und sein Duft stieg ihr in die Nase. Ben benutzte kein Aftershave. Das hatte er auch nicht nötig. Der Duft nach Seife, frisch gewaschener Kleidung und glatter, warmer Männerhaut war betörend genug.
Lucy schwankte unwillkürlich, merkte, dass sie ihm zu nahe kam, und richtete sich hastig wieder auf. „Entschuldige, der Boden ist hier so weich … und meine Absätze …“ Das war nicht gelogen, und sie hatte eine Ausrede, um wieder etwas Abstand zwischen sie beide zu bringen. Ein Stückchen nur, damit ihr diese verwirrende Mischung nach Limonenseife und Mann nicht mehr zu Kopf stieg.
„Erzähl … wie geht es dir?“
Der sanfte Unterton hatte die gleiche Wirkung wie sein Lächeln.
„Ach, du weißt schon.“
„Nein, weiß ich nicht, sonst würde ich nicht fragen. Wie läuft es mit der Allgemeinmedizin?“
Lucy versuchte, begeistert zu klingen. „Okay. Super. Letzte Nacht hatte ich Dienst und danach den ganzen Vormittag Sprechstunde. Deshalb bin ich ein bisschen müde, aber sonst macht es Spaß. Ich arbeite mich langsam ein.“
„Schade.“
„Warum?“
„Meine Oberärztin verlässt mich. Sie hat beschlossen, ihre vielversprechende Karriere zu unterbrechen und Mutter zu werden. Ich vermute mal, dass ich dich nicht wieder zu uns locken kann?“
Wenn er wüsste! Das Angebot war mehr als verführerisch. Sie sah sich wieder neben einem Patienten stehen und zusammen mit Ben die ersten Rettungsmaßnahmen durchführen, während um sie herum der alltägliche Wahnsinn der Notaufnahme tobte. Gelegentlich trafen sich ihre Blicke über die Rollliege