Von Mira gab es keine Fotos mehr. Ein wie bewusstloser Schlaf, ein schrillendes Telefon, ein Zimmer voller Tageslicht, aus dem ihr Leben gelöscht worden war. Julian taucht auf, rudert mit den Armen und erwacht zu einem Morgen, ohne dafür einen Grund zu haben. An Julias Bettseite kein klebriges Fläschchen Perfalgan, an seiner kein angekautes Bilderbuch, kein Gute Nacht, Mond. Die Babypuppe ist verschwunden, auch der Karton in der Ecke, in der Mira immer gespielt hatte. Selbst das zusätzliche kleine Kissen, das immer zwischen ihnen lag, die unausgesprochene Übereinkunft, dass sie nachts stets zwischen sie krabbeln konnte, war diskret entfernt worden. Julian ignoriert das Telefon und vergräbt sich wieder in die Laken, sinkt zurück in den Mief, der nur nach ihm selbst riecht, weshalb er sich zusammenrollen muss, um ihn ertragen zu können.
Ein weiterer Augusttag beginnt, skandalöserweise fast schon Mittag, die Arme und Hände so schlaff, dass er Mühe hat, das Telefon abzustellen, als es wieder zu klingeln beginnt. Es ist stickig. Weil er vom durchdringenden Geruch des Nachtjasmins neuerdings Kopfschmerzen bekommt, muss er die Fenster geschlossen halten. Vögel zanken im Efeu, irgendwas kratzt übers Glas, in der Ferne brüllt eine Kuh. Durch eine Lücke im Vorhang schneidet ein Lichtstreif, Staubflocken wirbeln auf, und obwohl ihr Bild nicht länger auf dem Nachttisch steht, ist Miras Gesicht doch das Erste, was er deutlich sieht: Mira im Sonnenschein, ein Gänseblümchenkranz im Haar.
Unbeholfen geht er die Treppe runter, hält sich am Geländer fest, um nicht zu fallen. Vor dem doppelten Kick durch Kaffee und Nikotin ist er mit seinen neunundzwanzig Jahren ein alter Mann. Noch halb weggetreten, kratzt er sich, T-Shirt und Boxershorts von gestern, zieht unterm Balken an der Ecke automatisch den Kopf ein und noch einmal vor der Küchentür. Der Hund umtanzt ihn, ist so ganz anders gelaunt, schlägt mit dem wedelnden Schwanz an Julians Beine, kennt nur den Notfall seiner fast platzenden Blase, schießt wie ein Korken durch die Tür und rennt schnüffelnd zwischen den Obstbäumen umher. Ehe Julian den Kessel auf