: Ulla Burges
: Der Schmerz ist anderswo Erzählungen
: Books on Demand
: 9783756872633
: 1
: CHF 4.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 292
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Acht Erzählungen, das heißt acht Versuche, im Leben etwas hinzukriegen. Um Scheitern geht es, und um Gelingen, vielleicht. Um Knoten, die lösbar sind, manchmal. Um Abschiede, die notwendig werden, unbedingt. Um Dummheit, die sympathisch ist, gelegentlich. Um Ignoranz, die unverzeihlich ist, immer. Um Unglaubwürdigkeit, die lebensbegleitend ist, hin und wieder. Um das bisschen Wahnsinn, das uns nicht verlässt, niemals. Wo liegt der Spaß im Kennenlernen eines sehr sonderbaren Mannes? Was passiert, wenn ein Defekt durch eine Beschränktheit ergänzt wird? Weshalb endet eine nicht unerotische Begegnung in der Deutschen Bahn tödlich? Was hat ein skurriler Traum mit der Alp-Entsprechung in der Realität zu tun? Wie kommt es, das jemand moralbefreit einfach so davonkommt? Wieviel darf einer erfinden, um noch ernstgenommen zu werden? Warum ist die Liebe ein so desaströses Unterfangen? Wieso muss man aus dem Osten wieder abhauen?

Ulla Burges, Jahrgang 1952, hat schon früh zu schreiben begonnen. Schreiben war für sie immer ein notwendiges Vehikel auf dem Weg innerer Auseinandersetzung wie auch zur Verständigung mit anderen. Ihr Weg führte sie über die Medizin in die Psychiatrie, auf Umwegen übers Theater schließlich in die Psychosomatik, wo sie als psychotherapeutisch tätige Ärztin in eigener Praxis in Niedersachsen tätig ist. Von Ulla Burges bisher erschienen: Putchiqua um-um (Märchenbuch für kleine und große Kinder); Mein graues Paradies (Entwicklungsgeschichte in zwei Teilen); Alle meine Freunde (Kurzgeschichten in 5 dünnen Bänden); Stücke meiner Nächte (CD mit Gedichten, vertont von Katharina Burges); Von Fischen und Menschen (Gereimtes zu Karikaturen von Paul Pribbernow)

Der Schmerz ist anderswo


Sie fühlte etwas in ihrem Leib, all die Traurigkeit und den Zorn, die Welt war gegen sie. Es war nicht dieses Selbstmitleid, diese Keiner-liebt-mich-Stimmung, nicht eines dieser Luxusprobleme der anderen, damit gab sie sich nicht ab. Sie wusste, dass das, was da in ihrem Bauch rumorte, nichts anderes als diese ganze Trauer war und die Wut auf ihr Leben, schließlich musste das irgendwo hin, und ihr Bauch war ein guter Ort zum Aufbewahren, Punkt. Sie selbst vermisste ihre Fröhlichkeit, ihr quietschendes Lachen. Sie wusste, sie war anders geworden, hatte jedoch inzwischen jene Stumpfheit erreicht, die einhüllt und schläfrig macht. Schulterzucken, funktionieren, es kommt auch wieder besser.

Gabriela Franske, wach auf, du sollst zum Arzt gehen.

Die Freundin drängte. Gabriela ging nicht zum Arzt. Sie hat genug Ärzte an sich herummachen lassen, ihr hat noch keiner helfen können. Sie ist nicht krank. Und all das Böse kann ihr kein Arzt der Welt wegbehandeln. Das würde von ganz allein rauskommen, aber es war offenbar noch nicht genug, es musste wohl noch einiges hinzukommen.

So redete sie, fast mehr zu sich selbst als zur Freundin, die Gabriela daran erinnerte, dass sie verheiratet war und vielleicht schwanger sein könnte.

»Dass ich nicht lache«, sagte Gabriela. »Ich bin ein Krüppel, wie soll das denn gehen. Andere Leute kriegen die Kinder, ich doch nicht.« Ihr Lachen klang bitter, Tränen hinter den dicken Brillengläsern.

Die Freundin ging.

Sie greift in die Räder ihres Rollstuhls, energisch stößt sie die Tür auf, abgekratzte Farbe und eingedelltes Holz dort, wo das Trittbrett ständig dagegenrumst. Sie rollt um die Ecke in die Küche, greift nach der Glaskanne der Kaffeemaschine, lässt sie ins Spülbecken fallen, geübter Handgriff, nichts geht kaputt, mit einer Hand zieht sie sich am Beckenrand hoch, die andere reißt am Wasserhahn, sie sackt zurück in den Stuhl, dann die umgekehrte Reihenfolge. Wenn die Kanne überläuft, ist es in Ordnung, denn beim schrägen Herauszerren kippt die Hälfte Wasser in den Abfluss, sie braucht nicht so viel. In dem Augenblick, wenn sie sich hochgezogen hat, sieht sie den Schmutz au