PROLOG
CAMERON
ZUVOR IN CINCINNATI, OHIO
Wie schwer kann es eigentlich sein, ein Tablett durch den überfüllten Saal einer Luxusvilla zu manövrieren?
Fünfzehn. Das entspricht der exakten Anzahl von Gläsern, die sich auf dem weiß lackierten, runden Monstrum, das ich auf meiner Handfläche balanciere, befinden. Jedes Mal, wenn ich jemandem ausweichen muss, wackeln sie verdächtig und treiben mir die Schweißperlen auf die Stirn.
Mein Blick wandert zu der Uhr an der Wand oberhalb der Schwingtür, die in die Küche führt. Noch zwei Stunden, dann kann ich endlich nach Hause fahren. Es ist nicht so, dass mir der Job keinen Spaß macht. Überraschenderweise tut er das, aber ich bin bereits seit sechzehn Stunden auf den Beinen und inzwischen fühlen sie sich bleischwer an.
In der Küche herrscht reges Treiben, als ich sie betrete, und doch fällt mir der Typ sofort auf, der hier nichts zu suchen hat. Er unterhält sich mit einer der Kellnerinnen, die amüsiert kichert, als er sich eine ihrer Haarsträhnen um den Zeigefinger wickelt. Genervt verdrehe ich die Augen. Hoffentlich ist sie nicht so naiv zu glauben, der Lackaffe macht sie zu einer High-Society-Prinzessin.
»Darf ich mal vorbei?«, frage ich schroff, weil die beiden den Zugang zum Schampusnachschub blockieren.
Als der Kerl in meine Richtung sieht und damit den Blick auf sein Gesicht freigibt, stutze ich einen Moment. Er grinst, während ich mehr als irritiert bin. Vor mir steht eine aufgemotzte Version meiner selbst. Als hielte man mir einen Spiegel vor, der zeigt, wie es wäre, auf der anderen Seite der Gesellschaft zu stehen. Was zur Hölle …
»Hey.« So, wie er mich mustert, ist ihm dieses Detail ebenfalls nicht entgangen.
Die Blondine schnauft verächtlich, als er ihr seine Aufmerksamkeit entzieht und diese ausschließlich mir widmet. Für einen Augenblick starre ich ihn fassungslos an, weil mein Gehirn nicht dazu in der Lage ist, zu realisieren, was hier gerade passiert.
»Ich bin Jasper. Und du bist?«
»Nicht an einem Gespräch interessiert«, antworte ich, als die Rädchen in meinem Kopf sich endlich wieder drehen, und ich versuche, mich möglichst unbeeindruckt zu zeigen. Jasper – der Name klingt schon nach massenhaft Geld und sein britischer Akzent wirkt überzogen. So als würde er seine Persönlichkeit damit aufwerten wollen.
Sein Blick wandert zu dem Metallschild, das an meine Brust geheftet ist. Mist! »Cameron«, liest er ab.
Ich wünschte, mich würde diese Begegnung nur halb so amüsieren wie ihn. Im Augenblick macht sie mich nervös und ich weiß absolut nicht warum. Außerdem bin ich müde. Unglaublich müde. Ausgelaugt.
»Nimm mal die Brille ab«, fordert er und streckt ernsthaft die Finger nach mir aus, um die Sache selbst zu übernehmen. Bevor er mir zu nahe kommt, schlage ich seine Hand weg.
»Ich muss arbeiten«, presse ich hervor und gerate ins Straucheln, als er mir den Weg abschneidet. »Lass den Scheiß!«, fahre ich ihn an und schiebe ihn grob zur Seite.
Jeder auf dieser Welt hat mindestens einen Doppelgänger. Dazu gibt es unzählige Statistiken. Allerdings hätte ich nie damit gerechnet, dass meiner mal leibhaftig vor mir stehen und mich blöd angrinsen würde.
»Jetzt warte doch mal!«, ruft er mir nach, während ich durch die Schwingtür zurück zur Party gehe. Verdammt, ich habe den Schampus vergessen. Das Rich Kid tritt neben mich und trägt etwas unbeholfen ein volles Tablett vor sich her. Wortlos nehme ich es ihm ab.
»Okay, Cam, sehen wir der Tatsache ins Auge. Du siehst aus wie ich. Zugegeben, du bist die weniger gut aussehende Variante. Deine