1. Wie viele Stunden hat ein Tag?
Als Daniel vom Elternsprechtag nach Hause kam, fand er seine Frau Gloria schlafend in der Küche vor. Sie war über ihrem Laptop eingeschlafen. Kein Wunder, bei allem, was sie sich in letzter Zeit aufbürdete.
Als sie vor wenigen Jahren hierhergezogen waren, in das Schloss von Glorias Ahnen, hatte sie nach sinnvollen und einigermaßen einträglichen Einnahmequellen gesucht. In der Zwischenzeit war sie Verwalterin, Autorin, Museumsdirektorin und Eventmanagerin in Personalunion. Nicht zu vergessen die Arbeit für das Gemeindeamt und ihre Strickmodelle. Seine Schöne hatte einfach zu viele Talente.
Neben dem Laptop stand eine leere Espressotasse. Offenbar hatte Gloria versucht, die Müdigkeit wegzutrinken. Schien nicht gelungen zu sein.
Er rüttelte sie sanft. „Hallo, schönes Schlossgespenst, gleich Mitternacht. Deine Geisterrunde steht an.“
Sie hob den Kopf, sah ihn einen Moment verwirrt an, ehe sie murmelte: „Du bist schon da?“
„Schon ist gut. Wie gesagt, es ist kurz vor Mitternacht.“
„War der Elternsprechtag so anstrengend?“
„Ach, der war wie immer – sinnlos. Die Eltern der unproblematischen Schüler kennt man ohnehin, die andern kommen erst gar nicht. Wir waren nachher noch in der Pizzeria und haben unseren Frust mit Pizza und Bier hinuntergespült. Ich habe dir doch eine WhatsApp geschickt.“
Sie warf einen Blick auf ihr Smartphone. Seine Nachricht war offenbar nicht die einzige gewesen, die sie verschlafen hatte.
Er reichte ihr die Hand. „Komm, lass uns ins Bett gehen.“
„Geh schon einmal vor, ich muss erst noch den Brief für Ludwig fertig machen. Er braucht ihn morgen Früh. Ich komm gleich nach.“
„Hast du ihm denn immer noch nicht gesagt, dass du keine Zeit mehr für die Arbeit im Gemeindeamt hast?“
Sie schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Weißt du, ich dachte mir, wenn ab Allerheiligen unser Dorfmuseum wieder geschlossen ist, habe ich ohnehin mehr Zeit – und weniger Einnahmen. Außerdem kann ich ihn nicht von heute auf morgen im Stich lassen. Das würde er auch nicht tun.“
„Heißt das, du machst weiter wie bisher?“
„Nein, nein. Ich werde ihm morgen sagen, dass ich noch bis Ostern zur Verfügung stehe. Bis das Dorfmuseum im nächsten Frühjahr wieder aufsperrt, wird er sicher geeigneten Ersatz gefunden haben.“
„Hoffentlich“, murmelte Daniel auf dem Weg ins Bad.
Seit sie im Schloss lebten, war ihm Gloria stets wie ein Wirbelwind erschienen. Doch neuerdings wirkte sie immer öfter müde und abgehetzt.
Das kommt davon, wenn man auf jedem Kirtag tanzen will und zu allem Überfluss auch noch mit seiner Busenfreundin eine Eventagentur gründet, überlegte er, während er seine Zähne putzte.
***
„Gut geschlafen?“, fragte Daniel am nächsten Morgen, als Punkt sechs Uhr der Wecker läutete.
„Gut schon, aber zu kurz“, kam es schlaftrunken von Gloria.
„Du kannst ja noch liegen bleiben“, schlug er vor.
„Besser nicht, ich habe heute jede Menge zu tun. Vormittags kommt eine Schülergruppe ins Museum, mittags habe ich eine Telefonkonferenz mit Ariane, meiner ungeduldigen Verlegerin, und nachmittags bin ich bei Ludwig im Gemeindeamt. Die Pullis für Claudia muss ich auch noch fertig machen, dann kann sie ihre Modelle am Wochenende gleich mitnehmen und ich spare die Versandkosten.“
„Samstag?“
„Hochzeit!“
„Ach ja, die Hochzeit der Bad Brunner. Habt ih