Missmutig knallte ich die alte Haustür hinter mir zu und zog scharf die Luft ein. Das war mal wieder ein Tag, der mir nicht in den Kram passte. Genervt hängte ich meine Jacke an die Shabby-Garderobe, die Kelly ausgesucht hatte, und bemerkte Scotts Chucks, die auf dem Fußabtreter neben unseren Schuhen standen. Er war inzwischen wie ein Bruder für mich und nahezu jeden Tag hier.
Seufzend betrat ich die Küche. Ich wollte mir nicht ausmalen, was Kelly und Scott in Kellys Zimmer trieben. Ein Kaffee sollte mich erst mal aufheitern.
Ich startete die Kaffeemaschine, die auf unserem grauen Küchentresen stand. Während ich ihrem Mahlen lauschte, griff ich nach meiner „Der Herr der Ringe“-Kaffeetasse, von der mir Orlando Bloom entgegenlächelte. Ich stellte sie unter die dampfenden Düsen.
„Oh, Tessie, hi.“
Ich hörte Scotts schlurfende Schritte und wandte mich dem Sportler zu. „Hey“, sagte ich gedämpft und zog Orlando von der Kaffeemaschine.
Scott musterte mich berechnend. „Wenn du zu ‚Herr der Ringe‘ greifst, dann ist was passiert. Also raus mit der Sprache.“ Ich grinste. Scott kannte mich einfach schon zu lange und wusste, wie Kelly, wann bei mir Not am Mann war.
Ich nahm einen großen Schluck Kaffee und stellte die Tasse auf unserem hölzernen Küchentisch ab. Er war über und über mit Einkerbungen versehen.
Trotz seines ramponierten Aussehens wollten Kelly und ich nicht auf ihn verzichten. Jede Einkerbung stand für eine legendäre Party, die wir in Jugendzeiten veranstaltet hatten. Unser Küchentisch war dabei ein heiß begehrtes Plätzchen für diverse Trinkspiele gewesen, weshalb Kronkorken und Flaschenöffner darübergeschrappt waren.
Scotts aufforderndes Räuspern riss mich aus meinen bunten Jugenderinnerungen.
„Ach, es gab ein Missverständnis auf der Arbeit. Und hurra, ich darf jetzt die Post für Londons Prominenz im Golfcar austragen.“ Ich fuhr mit dem Zeigefinger die größte Einkerbung auf der Tischplatte entlang. Sie war enorm tief, denn sie zeigte jenen Abend, an dem Kelly mir beichtete, mit Scott zusammen zu sein. Mein Stolz war immens verletzt gewesen und ich neigte damals zu feurigen Ausbrüchen. Weshalb ich kurzerhand nach dem Korkenzieher gegriffen und ihn quer über die Tischplatte gezogen hatte. Kelly nannte die Einkerbung liebevoll Meilenstein, während ich ihr mit gemischten Gefühlen gegenüberstand.
Sicher, es war mitunter der Alkohol gewesen, der mich dazu verleitet hatte, und ich hatte massig davon an jenem Abend getrunken. Allerdings war er auch keine Entschuldigung für meinen Ausraster. Deshalb war mir die Kerbe noch immer unangenehm. Meine Rumwüterei hatte ich mittlerweile unter Kontrolle, glaubte ich.
Ich spürte Scotts auffordernden Blick auf mir und wusste, dass ihm meine knappe Schilderung der Tatsachen nicht genügte.
„Tessie“, erklang seine sonore Stimme neckend und ich schnaubte.
„Ist ja schon gut“, wehrte ich weitere Aufforderungen ab und ergab mich.
„Ich wurde zum Privat Post Officer ernannt. Daran ist mal wieder meine eigene Schusseligkeit schuld, denn ich habe es verpasst, mich von der Liste der Interessenten herunternehmen zu lassen. Tja, der Glücksgott ist gönnerhaft zu mir. Ich sollte heute definitiv Lotto spielen oder ein Kind adoptieren. Ich bin mir sicher, es würde von einem Millionär stammen, der mich nach Haiti entführt und dort kleine Wellensittiche züchten lässt.“ Ich hörte nicht, dass Kelly den Raum betreten hatte, aber nun stand sie kichernd neben Scott.
„Hi, Kelly“, begrüßte ich meine beste Freundin, deren Blick zur „Herr der Ringe“-Tasse wanderte.
„Okay. Legolas-Krise. Was ist los?“ Sie zog ihre graue Weste aus und setzte sich. Ihr brauner Bob wiegte dabei sanft hin und her.
Ihre Auffassungsgabe überraschte mich nicht, denn wir kannten uns seit dem Sandkastenalter. Sie wusste von meinen Macken, meiner glorreichen Tollpatschigkeit und meiner Abneigung gegenüber all dem, was mit Luxus zu tun hatte.
Über Scotts Gesicht huschte ein Grinsen. „Sie muss zukünftig die Post für die Reichen und Schönen austragen.“ Seine Augen blitzten frech und ich streckte ihm die Zunge raus. Die Schadenfreude kroch ihm aus jeder Pore.
Kellys Mundwinkel verrieten das kleine Grinsen, das sie zu verbergen versuchte. „Das ist ja eine Katastrophe.“
Ich funkelte Scott triumphal an. Endlich jemand, der mich verstand!
Scott lachte auf und fuhr sich durch die braune Haarpracht. „Ich werde das Tessie-Kelly-Ding nie verstehen.“ Damit entfernte er sich mit meiner