KAPITEL 1
Keira betrat ihren Laden – Keira’s Chocolates – und eilte zur Heizung, um diese anzustellen. Es war eiskalt draußen. Natürlich musste sie darauf achtgeben, die Räume nicht zu überheizen, damit die Pralinen nicht schmolzen, jedoch konnte sie es ihren Kunden nicht zumuten, sich in dieser Kälte aufzuhalten. Und sie selbst zitterte natürlich auch nicht gerne.
Im letzten Monat war die Heizung wegen eingefrorener Rohre einmal ausgefallen, und es hatte sich gleich bemerkbar gemacht: Die Kunden waren nicht lange geblieben, hatten keine Zeit für ein Schwätzchen gehabt und waren auch nicht neugierig auf die allerneuesten Köstlichkeiten gewesen, die Keira in liebevoller Handarbeit selbst herstellte. Sie waren geflüchtet, so schnell sie konnten, um sich in einem der großen Geschäfte in der Cornmarket Street aufzuwärmen. Und das, wo die umsatzstarken Läden der Hauptgeschäftsstraße den fünf Frauen der Valerie Lane, die von Monat zu Monat zu überleben versuchten, eh schon ein Dorn im Auge waren. Die Konkurrenz war groß, doch zum Glück gab es treue Kunden, die ebendiese persönliche Note schätzten, welche die Valerie Lane ausmachte. Hier wurde man noch beraten, hier wurde man auf ein nettes Gespräch eingeladen, hier wusste man, was man bekam – und Keira war dankbar für jeden einzelnen Kunden, der es ihr ermöglichte, ihre Chocolaterie am Laufen zu halten.
Die Neunundzwanzigjährige nahm die Mütze vom Kopf und fuhr sich durchs schulterlange braune Haar, das sie heute offen trug. Dann rieb sie die Hände aneinander und pustete in die Luft, um zu sehen, ob ihr Atem in der Kälte noch zu erkennen war. Ein wenig, ja, aber es wurde von Minute zu Minute wärmer. Sie trat ans Fenster, von wo aus sie ihre Freundin Orchid erblickte, die schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite ihr Schaufenster neu herrichtete. Noch kein Kunde war zu sehen. Keira ging ihre überwiegend weißen Regale entlang, in denen sie die verschiedenen Kekssorten – in Schachteln, hübschen Dosen und in kleinen Zellophantütchen – aufgereiht hatte. Hier und da hatte sie ein wenig dekoriert, nicht zu viel, denn ihre Produkte sollten im Vordergrund stehen. Jedoch fand sie in Orchids Geschenkartikelladen ständig irgendein neues bezauberndes Accessoire, das perfekt passte und ihre Süßigkeiten noch ein wenig mehr hervorhob. So stand neben den schlichten weißen Schachteln voll Kokosplätzchen eine blassrosa Vase mit einem Strauß dunkelrosa und weißer Rosen, die so echt aussahen, dass niemand je bemerkt hätte, dass sie aus Seide waren. Die kleinen Metalldosen mit den Pfefferminzplätzchen waren in einem Regalfach aufgetürmt, das einer dieser knallpinken Schwäne zierte, die im letzten Jahr der absolute Renner bei Orchid gewesen waren.
Keira hatte im ganzen Laden, der sich in zwei ineinander übergehende offene Räume aufteilte, an genau den richtigen Stellen kleine Akzente gesetzt. Meist in Rosa oder femininen Farben, um ihr Hauptpublikum anzusprechen; es gab jedoch auch eine Ecke extra für Kinder mit Schokoteddys und kunterbuntem Süßkram und eine für die männliche Kundschaft, wo sie dunkle Herrenschokolade und Cognacpralinen anbot, Bourbon-Täfelchen aus Kanada, Marzipan aus Deutschland und Schokolade in Zigarrenform aus Frankreich. Diesen Bereich hatte sie mit einer alten hölzernen Zigarrenkiste und einer goldenen Taschenuhr ausgestattet, die sie sich aus dem Antiquitätenladen ihrer F