: Gabriella Engelmann
: Wolkenspiele Roman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426400531
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Erkenntnis, dass eine Ehe nicht ewig halten muss, bleibt auch Anna nicht erspart - nach 15 Jahren ist alles aus. Deshalb nimmt sich die 43-Jährige eine Auszeit und reist nach Amrum, wo sie die Biographie einer verstorbenen Schriftstellerin schreiben will. Auf der Fähre begegnet sie dem Fotografen Paul, der sie auf andere Gedanken bringt. Doch die Vergangenheit lässt Anna nicht los, und außerdem ist da noch ihr undurchsichtiger Vermieter, der ein dunkles Geheimnis zu hüten scheint ... »Magisch wie das Spiel der Wolken, beglückend wie der Zauber der Insel Amrum!« Silke Schütze Wolkenspiele von Gabriella Engelmann: als eBook erhältlich!

Die gebürtige Münchnerin entdeckte in Hamburg ihre Freude am Schreiben und fühlt sich im Norden pudelwohl. Nach Tätigkeiten als Buchhändlerin und Verlagsleiterin genießt sie die Freiheit des Daseins als Autorin von Romanen, Kinder- und Jugendbüchern. Seit sie zum ersten Mal an der Nordsee war, träumt sie von einem eigenen Häuschen am Deich, mit einem Garten voller Wildrosen und knorrigen Apfelbäumen.Mehr zur Autorin:Instagram: gabriellaengelmannFacebook: www.facebook.com/AutorinGabri llaEngelmann

Kapitel1


Hamburg,2009

Möwen zogen am Horizont laut kreischend ihre Kreise, während Bernd und ich Hand in Hand am Strand entlangliefen. Das Meer war grau und unruhig, und ich hielt seine Finger fest umklammert. Plötzlich spürte ich eine kalte, unheilverkündende Leere. Als ich zur Seite blickte, war Bernd verschwunden.

 

Schweißgebadet erwachte ich von meinem eigenen Schrei, sank verschwitzt auf die Kissen zurück und versuchte, das beklemmende Gefühl aus meinem Traum abzuschütteln. Während sich mein Puls verlangsamte und ich Atemzug für Atemzug in die Wirklichkeit zurückkehrte, vernahm ich durch die Wand die Stimme meiner Nachbarin, die lautstark mit ihrer kleinen Tochter diskutierte.

Jeden Morgen dasselbe Theater, dachte ich benommen und musste dennoch lächeln, als ich das helle Stimmchen des Nachbarkindes hörte. Ich sah die kleine Emma förmlich vor mir, wie sie mit verschränkten Armen und trotzig verzogenem Mund auf ihrem Lieblingsoutfit beharrte. Ein kurzes Röckchen und Sandalen bei Schnee, den geliebten Ringelschal und Fellstiefel im Hochsommer.

Kinder, dachte ich seufzend und rollte mich müde zusammen. Dann klingelte das Telefon, und ich warf einen raschen Blick auf die Uhr. Kurz nach sieben. Wenn ich mich nicht abhetzen wollte, um die Fähre zu erreichen, musste ich unbedingt aufstehen. Müde griff ich zum Telefon neben mir auf dem Nachttisch. »Guten Morgen, Schlafmütze«, ertönte die fröhliche Stimme meiner Schwester, die sichergehen wollte, dass ich es pünktlich aus den Federn schaffte.

»Von wegen Schlafmütze, ich bin längst wach!«

Vor meinem Fenster brach der neue Tag heran, und ich fröstelte. Die Vorstellung, jetzt aufbrechen zu müssen, behagte mir gar nicht.

Vielleicht sollte ich doch nicht nach Amrum fahren, sondern hier in meiner kuscheligen Höhle bleiben und nie wieder vor die Tür gehen, dachte ich und seufzte leise. Zu Leona sagte ich:

»Ich melde mich, wenn ich angekommen bin. Grüß Christian und gib den Kindern einen dicken Kuss. Ich rufe Lilly zu ihrem Geburtstag an, sie soll sich schon mal überlegen, was sie sich von mir wünscht.«

Mühsam kroch ich aus den warmen Daunen. In den ersten Monaten nach Bernds Auszug hatte ich es oft nicht vor drei Uhr nachmittags aus dem Bett geschafft – an manchen Tagen war ich gar nicht aufgestanden. Doch nun hatte ich eine Aufgabe, die keinen Aufschub duldete. Also riss ich mich zusammen und tappte barfuß in die Abstellkammer, um meinen Koffer vom Schrank zu holen.

»Heraklion« stand auf dem kleinen Papieretikett, das um den Griff baumelte, und sofort verspürte ich einen Stich in der Herzgegend. Auf Kreta hatten Bernd und ich unseren letzten gemeinsamen Urlaub verbracht, ein verzweifelter Versuch, unsere Ehe zu retten. Leider erfolglos.

Als Nächstes ging ich ins Badezimmer. Mir blieb noch eine knappe Stunde, um mich zu duschen, zurechtzumachen und nebenbei einen Kaffee zu trinken. Mir war es schon immer wichtig gewesen, mir morgens Zeit lassen zu können – nur nicht zu viel Realität auf einmal!

Ich trat vor den Spiegel und betrachtete mich. Vor mir stand eine zweiundvierzigjährige Frau, die keinen Tag jünger wirkte, als sie war – aber zum Glück auch nicht älter.

Mein Haar könnte einen Schnitt vertragen, dachte ich, als ich meine kastanienbraune Mähne zu einem festen Zopf flocht. Dann unterzog ich mein Gesicht