Kapitel 2
Kahlschlag
In den nächsten Tagen ließ mich der Gedanke an Spanien einfach nicht mehr in Ruhe. War das wirklich so einfach? Konnte man sein Leben samt nervigen Kollegen, betrügerischen Exmännern und der unfassbaren Hässlichkeit endloser Betonschluchten im deutschen Nieselregen rings um einen herum einfach so abschalten?
Offensichtlich. Jedenfalls, wenn es um die unzähligen Dokusoaps über grenzdebile Auswanderer ging. Jedes Jahr verließen über siebenhunderttausend Menschen Deutschland. Wohin verschwanden die? Immerhin rund achttausend davon hatten gut gewählt und gingen nach Spanien. Und wie viele schafften es, dort Fuß zu fassen?
Jan und ich waren während unserer Beziehung meistens im Urlaub in Spanien gewesen und hatten oft davon geträumt, dorthin auszuwandern. Schließlich waren unsere Chancen deutlich besser als die der meisten Deutschen, die auf Spanisch gerade mal ein Bier bestellen konnten. In einer deutschen Bar wohlgemerkt. Denn kein Spanier wusste, was eine „Zerfätza“ sein sollte.
Jan und ich dagegen sprachen – auch dank der Langweiler-Sprachschule – einigermaßen fließend Spanisch. Wir hatten beide Jobs, mit denen man auch in Spanien weiterkommen konnte. Trotz Wirtschaftskrise. Wir hatten spanische Freunde in Deutschland und kannten uns mit der Mentalität und Kultur aus, nein, wir liebten sie!
Ach ja.
Und jetzt machte der Sauhund ernst. Er konnte nach durchtanzten Nächten in Open-Air-Discos so viele Churros con Chocolate essen wie er wollte. Auf kleinen, staubigen Plätzen, die die Morgensonne in goldenes Licht tauchte. Mit sprudelnden, schmiedeeisernen Springbrünnchen, um die ringsherum den lieben langen Tag Opas und Omas auf kleinen Holzbänkchen miteinander stritten und lachten, während unzählige Vögel in riesigen Gummibäumen und Palmen dasselbe taten.
Buhu! Es war zum Heulen. Während ich an meinem Schreibtisch fast das Meer rauschen hören konnte, sägte das Triumvirat weiter kräftig an meinem Stuhl. Ich musste in jeder Sekunde höllisch aufpassen und x-fach Abschriften von jedem noch so popligen Dokument machen, um von Fink nicht noch eine Abmahnung zu kassieren.
Ich hatte es so satt! War es das wirklich wert? Die ganze Mühe, der endlose Zickenkrieg, wofür eigentlich? Für einen Job, für den ich ehrlich gesagt die absolute Fehlbesetzung war? Für die blöde Wohnung in einer ohnehin kaum erträglichen Vorstadtnachbarschaft voll von Spießern und NSA-Mitarbeitern? Für ein neues Auto? Einen Malediven-Urlaub mit Andy, den ich jetzt ohnehin vergessen konnte? Was machte ich hier eigentlich?
Diese Fragen und Gedanken wälzte ich von früh bis spät. Jan machte es genau richtig. Zwar behauptete er, nur für ein Jahr nach Spanien fahren zu wollen. Er hielt sich das Hintertürchen mit seinem Job meiner Ansicht nach aber nur offen, weil er den ganz großen Sprung allein einfach noch nicht wagen wollte. Vielleicht auch wegen Marcella. Als Italienerin hätte die sich eher beide Hände abgehackt, als nach Spanien zu ziehen.
Ganz schön raffiniert, der liebe Jan. Das Jahr Auszeit gönnte ihm jeder. Keiner machte Theater. Alles war wunderbar. Dabei war ich fest davon überzeugt, dass Jan insgeheim längst Nägel mit Köpfen gemacht hatte: Er würde in Spanien bleiben. Das war völlig klar. Schade, eigentlich. Er würde mir mächtig fehlen. Natürlich konnte ich ihn immer in Spanien besuchen. Aber das war nicht dasselbe. Am liebsten würde ich ihn begleiten.
Was für ein herrlicher Gedanke das war – alles einfach hinzuwerfen. Noch einmal neu anzufangen. Mit einem guten Freund an der Seite, der sich noch dazu schon um das Transportmittel gekümmert hatte. Ob in dem ei