: Laura Labas
: Bronwick Hall - Dornenkrone Roman
: Piper Verlag
: 9783492605021
: Bronwick Hall
: 1
: CHF 13.40
:
: Fantasy
: German
: 480
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Herzergreifende Romantik, ein Strudel aus Intrigen und magische Kämpfe an einer elitären Universität! Legenden besagen, eine verräterische junge Frau habe vor 200 Jahren die Unterwelt zerstört und alle Hexen gezwungen, nach England ins Exil zu gehen. Die Kalten, eine gewissenlose Rebellenorganisation, sind davon überzeugt, dass jene Frau wiedergeboren wurde und sich an der magischen Eliteuniversität Bronwick Hall aufhält. Der junge Professor Henry Saints und die Studentin Blaine schleusen sich bei den Rebellen ein, um mehr über deren Pläne herauszufinden. Doch je tiefer sie in die Strukturen der Organisation eindringen, desto mehr erfährt Blaine über ihr wahres Schicksal ... Bronwick Hall: Band 1: Dornengift Band 2: Dornenkrone

Laura Labas wurde 1991 in der Kaiserstadt Aachen geboren. Schon früh verlor sie sich im geschriebenen Wort und entwickelte eigene fantastische Geschichten, die sie mit ihren Freunden teilte. Mit vierzehn Jahren beendete sie ihren ersten Roman. Spätestens da wusste sie genau, was sie für den Rest ihres Lebens machen wollte: neue Welten kreieren. Heute schreibt sie nach ihrem Master of Arts in Englisch und in Deutscher Literaturwissenschaft immer noch mit der größten Begeisterung und Liebe und vertieft sich in Fantasy, Drama und Romance. Mehrere ihrer Romane standen auf der Shortlist zum Lovelybooks Leserpreis.

1. Kapitel


Scherbenhaufen


Die Tage flossen ineinander über. Eine riesige Lache, die mich einschloss und festhielt. Seit Alston von meinem Onkel entführt worden war, konnte ich kaum eine Stunde schlafen, ohne von Albträumen geplagt zu werden. Immer wieder war da die Vision aus meinem alten Leben, wie ich nun wusste. Ich erkannte nur mich selbst und meine Schwester. Bastien … Seinen Namen hatte ich heute das erste Mal vernommen. Vor zwei Nächten war die Vision in überraschender Deutlichkeit über mich gekommen. Mir war nicht ganz klar, woher ich das wusste, aber es mussten die letzten Momente meines alten Lebens gewesen sein.

Etwas war danach geschehen. Vielleicht war ich von den Titanen getötet worden. Vielleicht hatte ich es nicht rechtzeitig durch das Portal in die Menschenwelt geschafft und war verhungert. Vielleicht …

Letztlich war alles Spekulation, und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, wollte ich es nicht mal wissen. Ich wollte nichts mit meinem früheren Leben zu tun haben. Ich wollte die alte Seele aus mir herausreißen. Ich war unfähig, sie mit meinem jetzigen Leben zu vereinbaren. Das war nicht ich.

Was auch immer mein Vater getan hatte, um mich zu kreieren, ich verabscheute es.

Das allein wäre schon genug gewesen, damit ich mich für lange Zeit in meinem Bett vergrub, aber es gab noch mehr. So viel mehr.

Erschöpft blickte ich vom Sandsack zu den Oberlichtern der dämmrigen Sporthalle. Der Tag neigte sich dem Ende zu. Abgesehen von mir hielt sich niemand mehr in der Halle auf. Die meisten Studierenden würden sich zum Essen begeben oder für die Examen in ein paar Wochen büffeln. Magie durfte überall auf dem Campus von Bronwick Hall verwendet werden, weshalb sich meine Mitstudierenden nur selten in die Lehrräume zum Üben begaben. Meistens erprobten wir unsere Fähigkeiten im großen Speisesaal, wenn dieser leer geräumt war, oder in unseren eigenen Zimmern. Nur für Alchemie und Bannzauber brauchte man wichtige Utensilien, die sich in den einzelnen Hörsälen und Werkräumen befanden.

Somit hatte ich die Halle ganz allein für mich und meine Sorgen. Einsam und mit finsterer Stimmung konnte ich an meiner Muskelkraft arbeiten. Mir vorstellen, Saints’ Gesicht würde sich auf dem Boxsack abzeichnen.

Keuchend wandte ich mich ihm – dem Boxsack und nicht Saints – wieder zu und schlug ein paarmal darauf ein. Meine Muskeln protestierten. Schweiß perlte mir von Stirn und Nasenspitze. Mein nasser Zopf klatschte unangenehm an meine Wange.

Ich sollte vielmehr die Kontrolle üben, damit ich problemlos alle sechs Magiearten wirken konnte, aber seit Saints mir eine Abfuhr erteilt hatte, fiel es mir schwer, mich darauf zu konzentrieren. Er war derjenige gewesen, der von Anfang an an mich geglaubt hatte. Er hatte durch meine Fassade geblickt und mein Potenzial erkannt.

Nun wollte Professor Henry Saints einfach so einen Rückzieher machen? Was war in ihn gefahren?

»Dieser. Verdammte. Mistkerl«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich untermalte jedes Wort mit einem weiteren Schlag.

Mich hatten bereits so viele verlassen. Warum konnte Saints nicht seinen Stolz runterschlucken und an meiner Seite bleiben?

Schluchzend musste ich den wackelnden Boxsack umklammern. Mir fehlte die Kraft, weiter auf ihn einzudreschen, und ich konnte mich kaum noch aufrecht halten. Nicht nur Saints war gegangen. Rees, mein nervtötender Cousin, hatte sich den Rebellen angeschlossen und Bronwick Hall verlassen. Zusammen mit Oakly hatte er gegen die Kaizerin und für meinen Vater gearbeitet.

Warum?

»Warum?«, schrie ich.

Niemand antwortete.

Nichts ergab einen Sinn. Ganz gleich, wie oft ich die Tatsachen in meinem Kopf hin- und herwälzte. Wie lange. Rees hatte ein gutes Leben gehabt. Durch unsere Großmutter, die sich tadellos mit der Kaizerin verstand, war seine Stellung in der Gesellschaft angesehen gewesen. Es hatte ihm nie an etwas gemangelt. Er hatte nie radikale Äußerungen getätigt.

Warum hatte er sich meinem Vater angeschlossen? Warum hatte er zugelassen, dass Oakly Karan vergiftete?

Ich wollte ihm nicht die Schuld dafür geben, dass ich letztlich Oaklys Vater getötet hatte, doch was blieb mir sonst? Wenn ich mir auch dafür die Schuld auflud, fürchtete ich, nicht mehr atmen zu können. Ich musste einen Teil davon loswerden, um weiterzumachen. Alston brauchte mich.

Langsam löste ich mich von dem Boxsack. Wieder kehrten meine Gedanken zu Saints zurück.

Ich hatte mir damals in seinem Bett geschworen, ihn nie wieder allein zu lassen. Für ihn da zu sein, auch wenn er mich von sich stieß. Als hätte ich sein Handeln bereits vorausgeahnt. Das machte es jedoch nicht weniger schmerzhaft.

Er hatte Adalinds Lügen nicht geglaubt, trotzdem hatte er mich wie ein Kind behandelt. Mich belogen.

Ich war mir fast sicher, dass er gelogen hatte.

Es tat weh, dass er nicht für uns kämpfte. Trotzdem würde ich ihn nicht einfach loslassen.

Ich blickte auf meine bandagierten Hände hinab. Meinen goldenen Verlobungsring mit dem Smaragd hatte ich für die Dauer der Trainingseinheit abgenommen.

Karan hatte eigentlich mit mir trainieren wollen, doch er war spät dran.

Wir hatten uns darauf geeinigt, die Scharade unserer Verlobung weiterzuführen, damit sie mir als Alibi für meine geheimen Tätigkeiten diente. Es war seltsam, sie jetzt erst als Scharade zu bezeichnen. Obwohl sie dies bereits seit Beginn gewesen war.

Für Karan und mich hatte es nie auch nur die leiseste Chance einer ehrlichen Beziehung gegeben. Wie eine Ertrinkende hatte ich mich an ihn geklammert und gehofft, er würde mich retten. Wie falsch ich gelegen hatte. Wie erbärmlich ich gewesen war.

Selbst als mir bewusst geworden war, dass ich ihn und seine Familie ausnutzte, um mir eine Zukunft zu sichern, hatte ich mich unmöglich verhalten. Ich hätte viel früher lernen müssen, auf eigenen Beinen zu stehen. Für mich selbst zu kämpfen.

»Hey.« Karan kam durch die offen stehende Tür aus der Männerumkleide. »Du bist ja schon dabei.«

Er trug wie ich eine lockere Sporthose und ein T-Shirt. Darüber hatte er sich noch die passende Sweatshirtjacke geworfen. Alles in den Akademiefarben Grün, Blau und Schwarz.

»Du bist zu spät«, kommentierte ich nüchtern. Ich kam ihm entgegen, um leiser sprechen zu können. »Was ist passiert?«

»Nichts Wichtiges«, wich er aus. Sein Gesichtsausdruck verriet mir nicht das Geringste, trotzdem versuchte er, abzulenken, indem er sich aufwärmte.

»Kannst du mir nicht ehrlich sagen, was los ist?«

»Ich will dich nicht aufregen.« Er hielt dabei inne, seine Schultern mit kreisenden Bewegungen zu lockern.

»Ich bin keine Porzellanpuppe«, widersprach ich vehement.

»Daran muss ich mich erst gewöhnen«, nuschelte er.

Ich schnaubte verächtlich. »Als ob dich das vorher jemals aufgehalten hätte, mich nicht zu verletzen. Oder mir nicht die Wahrheit zu sagen.«

Er seufzte tief.

»Mimics wollten wissen, warum ich nicht in den Speisesaal gehe. Nichts weiter«, antwortete er prompt. Da wollte wohl jemand nicht über unsere Vergangenheit sprechen. »Schätze, Templett meint es ernst. Dass sich hier ein paar Dinge ändern werden und so.«

Ich ballte die Hände zu Fäusten. Mimics waren Unterweltlerinnen und Unterweltler, die in unserer Gesellschaft – ähnlich wie Polizisten – für Recht und Ordnung sorgten. Seit dem Angriff der Rebellen auf unsere Akademie und Alstons Entführung gingen sie hier ein und aus.

»Hm, wir müssen uns einfach unter dem Radar bewegen«, zwang ich mich zu sagen, anstatt mich aufzuregen. Ich hatte Karan zwar in meine Pläne eingeweiht, aber ich traute ihm nicht mehr mit meinen Gefühlen.

Er hakte nicht weiter nach.

Wenig später hielt ich den Boxsack fest,...