: Laura Labas
: Bronwick Hall - Dornengift Roman
: Piper Verlag
: 9783492605014
: Bronwick Hall
: 1
: CHF 13.40
:
: Fantasy
: German
: 432
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine magische Hexenakademie im Kampf gegen unheilvolle Rebellen! Von geheimnisvollem Nebel verborgen, bildet die magische Universität Bronwick Hall junge Hexen aus. Dort gerät die 21-jährige Blaine in einen Strudel aus Lügen und Intrigen, nachdem sie zur obersten Elitestudentin aufsteigt. Ihr Verlobter Karan bietet ihr Schutz, seit ihr Vater wegen Hochverrats verhaftet wurde, doch sie liebt ihn eigentlich nicht. Als die Universität von einer Rebellenorganisation angegriffen und Karan im Kampf von einem Pfeil vergiftet wird, verbündet sich Blaine mit dem jungen, geheimnisvollen und viel zu attraktiven Professor Henry Saints, um ihre Zukunft zu retten. Bronwick Hall: Band 1: Dornengift Band 2: Dornenkrone

Laura Labas wurde 1991 in der Kaiserstadt Aachen geboren. Schon früh verlor sie sich im geschriebenen Wort und entwickelte eigene fantastische Geschichten, die sie mit ihren Freunden teilte. Mit vierzehn Jahren beendete sie ihren ersten Roman. Spätestens da wusste sie genau, was sie für den Rest ihres Lebens machen wollte: neue Welten kreieren. Heute schreibt sie nach ihrem Master of Arts in Englisch und in Deutscher Literaturwissenschaft immer noch mit der größten Begeisterung und Liebe und vertieft sich in Fantasy, Drama und Romance. Mehrere ihrer Romane standen auf der Shortlist zum Lovelybooks Leserpreis.

2. Kapitel


Runtergebrannte Kerzen


Niemand hielt mich auf. Niemand rechnete damit, dass ich mich über die Ausgangssperre hinwegsetzen würde. Studierende durften sich zwar bis Mitternacht, zwei Stunden länger als Schülerinnen und Schüler, überall im Gebäude und draußen auf dem Gelände aufhalten, aber danach ausschließlich in den eigenen Schlafräumen.

Es war ein Privileg, zu studieren, und deshalb wurden die zwei Jahre mit eingeschränkten Freiheiten von jedem in Kauf genommen.

Gleichzeitig waren sich die meisten nicht dafür zu schade, heimlich durch Partys zu rebellieren. Ich war mir nicht mal sicher, ob das Lehrpersonal nichts von den Feiern wusste oder ob sie sich alle lediglich unwissend stellten. Weil sie durch jahrelange Erfahrung erkannt hatten, dass ein Ventil benötigt wurde.

So oder so, ich hatte noch nie davon gehört, dass eine Party in der Rohrpostzentrale aufgelöst worden war. Und auch wenn kaum jemand freiwillig mit mir sprach, war ich oft unsichtbar genug, um die wichtigsten Gesprächsthemen aufzuschnappen.

Im Untergeschoss musste ich durch den Korridor, von dem die Waffenkammer und die Trainingsräume abzweigten, bis zu dem Gebäudeteil, in dem man am leichtesten entdeckt werden konnte. Hier befanden sich die Schlaf- und Aufenthaltsräume der Akademieangestellten. Sie wurden bloß nicht von der Musik geweckt, weil jemand einen Bannzauber um die Rohrpostzentrale gewirkt hatte.

Vor der geschlossenen Tür atmete ich einmal tief durch. Das letzte Mal war ich mit Karan hier gewesen. Damals hatte es niemand gewagt, mir den Einlass zu verwehren. Doch jetzt war ich allein.

Ich machte mir nicht die Mühe, anzuklopfen. Meiner Erfahrung nach wurde man weniger bis gar nicht beachtet, wenn man sich verhielt, als gehörte man dazu. Ein Hauch von Unsicherheit und schon stürzten sich die anderen wie Scheusale auf einen.

Dieses Mal sollte ich damit allerdings falsch liegen. Ein breitschultriger Kerl aus meinem Jahrgang stellte sich mir mit verschränkten Armen in den Weg.

»Passwort?«, fragte er gedehnt, gar etwas gelangweilt. Er blinzelte einmal, ehe er seinen Blick senkte, weil er mich um ein ganzes Stück überragte. Er ließ sich nicht anmerken, ob er mich erkannte.

»Wie bitte?« Nur nicht in Panik geraten.

»Passwort?«

Würde ich wieder unverrichteter Dinge verschwinden müssen? Enttäuschung vernebelte mir den Verstand, und mir fiel keine Ausrede ein.

»Titanid«, sagte jemand hinter mir, bevor sich die Situation peinlich in die Länge ziehen konnte.

Der Student nickte und ließ das Pärchen hinter mir durch. Er stellte sich mir glücklicherweise nicht in den Weg, als würde er davon ausgehen, dass wir zusammengehörten.

Schnell schlüpfte ich in den abgedunkelten Raum. Die Tür wurde hinter mir geschlossen.

Ich blickte mich in der verwinkelten Zentrale um. Ein paarmal war ich schon fernab der nächtlichen Zusammenkünfte hier gewesen, weil ich Post hatte verschicken müssen. In Aurum, Bronwick und den anderen fünf Akademien funktionierte das mit einem magisch manipulierten Rohrsystem. Ich hatte gelesen, dass diese Art von Versand in der menschlichen Welt seit mehr als einem Jahrhundert schon nicht mehr genutzt wurde. Wir hielten jedoch voller Überzeugung daran fest.

Mehrere Rohre zogen sich an der Decke entlang und endeten gemeinsam in einer Ecke. Fast wirkte das daraus entstehende Konstrukt wie eine Orgel, die tagsüber von Schulkindern oder Studierenden, die sich was dazuverdienen wollten, gespielt wurde.

Heute Nacht arbeitete niemand. Musik erklang aus magiebetriebenen Boxen. Stromleitungen suchte man in Bronwick vergeblich. Ein süßlich duftender Nebel hing in der Luft, und Kerzen flackerten. Es gab eine provisorische Tanzfläche sowie ein Büfett auf zwei zusammengeschobenen Tischen. Das Wichtigste für den Großteil der Anwesenden war der Alkohol, den man aus Aurum oder dem menschlichen London in die Akademie geschmuggelt hatte.

Jemand hatte sich sogar die Mühe gemacht, eine Fruchtbowle zuzubereiten. Als ich mir einen Becher damit füllte, schenkte mir niemand Beachtung.

Ungefähr vierzig bis fünfzig Studierende waren anwesend. Sie amüsierten sich, lachten, scherzten, tanzten. Dabei war es ein Wunder, dass niemand durch die Luke fiel, die in den Boden eingelassen war und offen stand. Manche stiegen gerade wieder nach oben, andere warteten darauf, die Leiter hinunterzuklettern.

Meine Umgebung beobachtend, ging ich am Rand des L-förmigen Raumes entlang und holte die Phiole unter meinem Kragen hervor. Sie war durchsichtig. Offenbar befand sich hier niemand, der mir Böses wollte, was nicht wirklich überraschend war. Es war keiner von denen anwesend, mit denen ich mehr zu tun hatte. Die Elite zum Beispiel, zu der auch ich gehörte, glänzte mit Abwesenheit.

Nachdenklich nippte ich an der Bowle, den Geschmack von Tom vertreibend, während ich die kahl verputzten Wände betrachtete, die mir tagsüber nicht aufgefallen waren. Vielleicht hatte auch jemand vor der Veranstaltung einige Gemälde und Wandteppiche in Sicherheit gebracht.

Nachdem ich das andere Ende des Raumes erreicht hatte, blieb ich einen kurzen Moment gegen die Wand gelehnt stehen. Die Tüte mit der Truhe raschelte leise, als ich meine Arme verschränkte. Die Schlaufe hatte ich um mein Handgelenk geschlungen.

Vielleicht sollte ich es doch wagen, nach unten zu gehen. Ich hatte keine wirkliche Vorstellung davon, was dort ablief. Das letzte Mal hatte mich Karan davon abgehalten, weil es sich nichtziemte. Es hatte mich gefreut, dass er mich für so unschuldig hielt, dabei war ich wohl die Letzte, die vor unziemlichen Dingen beschützt werden musste.

Ich gab mir einen Ruck und stellte mich hinter eine junge Elementarhexe. Die meisten Unterweltlerinnen und Unterweltler waren dazu fähig, zwei oder drei Magiearten zu wirken, und in einer davon brillierten sie zumeist. Von ihr wusste ich, dass ihr Elementarmagie am besten von der Hand ging, weil sie des Öfteren von Professor Marlow zu Vorführungszwecken nach vorne gebeten wurde.

Ich schloss mich ihr an, sobald niemand mehr von unten heraufkam. Die Sprossen der Leiter waren aus kaltem Eisen und an einigen Stellen so rutschig, dass ich mich darauf konzentrieren musste, nicht versehentlich den Halt zu verlieren.

Unten war es wie in einer anderen Welt. Sofort erkannte ich, dass wir uns in einem der unzähligen Ausläufer der Katakomben befanden, die sich unter der Akademie labyrinthartig ausbreiteten. In diesem Teil war ich jedoch noch nie gewesen, und ich glaubte auch nicht, dass unser Lehrkörper davon wusste. Die Party war eine Sache. Jedochdas hier?

Der Raum war ungefähr doppelt so groß wie die Rohrpostzentrale obendrüber, und in seiner Mitte befand sich ein silberner Käfig, der mit einem Bannzauber verstärkt worden war. Die Gitterstäbe schimmerten magisch.

Somit konnten die zwei Scheusale, die sich darin bekämpften, nicht ausbrechen. Diese Monster, von denen es verschiedene Arten gab – manchmal größer, manchmal gefährlicher –, galten als nahezu ausgestorben. Jedoch waren sie meinem Volk vor zweihundert Jahren durch die Tore aus der Unterwelt hierher gefolgt und fristeten nun ungesehen und unbeachtet ihr Dasein. Sie konnten nur für kurze Zeit fernab von der Magie der Unterweltlerinnen und Unterweltler existieren, weshalb sie für Menschen weitestgehend ungefährlich waren.

So hoch mein Wissensstand. Mir war jedoch nicht klar gewesen, dass Schülerinnen und Schüler oder Studierende Scheusale wie Ware kaufen konnten. Ich bezweifelte, dass sie sie selbst gejagt hatten. Oder?

Mein Kopf rauchte.

»Hey, mach Platz!«

Sofort rückte ich weg von der Leiter, behielt jedoch Hemmungen, mich dem Käfig zu nähern. Ungefähr zwei Dutzend Unterweltlerinnen und Unterweltler bewegten sich im Raum und jubelten den Scheusalen zu. Wetten wurden eingegangen, bezahlt und vermerkt. ...