: Titus Müller
: Die fremde Spionin Roman
: Heyne
: 9783641270667
: Die Spionin-Reihe
: 1
: CHF 9.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ria ist zehn Jahre alt, als ihre Eltern von der Staatssicherheit abgeholt werden. Sie wird von ihrer kleinen Schwester getrennt und in einer Adoptivfamilie untergebracht. Seither führt Ria in Ostberlin ein scheinbar angepasstes Leben. Erst als der BND sie als Informantin rekrutiert, sieht sie ihre Chance gekommen. Mithilfe des westlichen Geheimdienstes will Ria sich an der DDR rächen und endlich ihre Schwester wiederfinden. Doch dann erfährt sie im Sommer 1961 von einem ungeheuerlichen Plan, der ihr Schicksal und die Zukunft beider deutscher Staaten für immer verändern könnte ...

Titus Müller, geboren 1977, studierte Literatur, Geschichtswissenschaften und Publizistik. Mit 21 Jahren gründete er die Literaturzeitschrift »Federwelt« und veröffentlichte seither mehr als ein Dutzend Romane. Er lebt mit seiner Familie in Landshut, ist Mitglied des PEN-Clubs und wurde u.a. mit dem C.S. Lewis-Preis und dem Homer-Preis ausgezeichnet. Seine Trilogie um »Die fremde Spionin« brachte ihn auf die SPIEGEL-Bestsellerliste und wird auch von Geheimdienstinsidern gelobt.

1

Fjodor Sorokin schrieb einen falschen Namen in das Meldeformular und erfand eine Adresse in Dortmund.

»Wie lange werden Sie bleiben, Herr Budeit?« Der Hotelangestellte nahm das Formular mit professionellem Lächeln in Empfang. Er spähte auf die Zeile für das Abreisedatum, die Sorokin leer gelassen hatte.

»So lange es nötig ist«, sagte Sorokin. »Vier, fünf Tage.«

»Sie sind geschäftlich hier?«

Sorokin sah ihn statt einer Antwort kalt an. Schließlich nickte er.

»Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.« Der Hotelangestellte kam um den Tresen herum und wollte den rotbraunen Lederkoffer nehmen, aber Sorokin griff schneller zu. Nun beeilte sich der Angestellte, vor Sorokin am Aufzug zu sein und die Ruftaste zu betätigen. Sie standen da, während der Fahrstuhl näherkroch, und der Angestellte fragte: »Sind Sie zum ersten Mal in München?«

Zwei Jahre war es her, dass er hier gewesen war und den ukrainischen Exilpolitiker Lew Rebet getötet hatte. Stepan Andrijowytsch Bandera würde eine schwierigere Aufgabe darstellen. »Ja, zum ersten Mal«, antwortete er. »Können Sie mir ein Restaurant empfehlen?«

Der Hotelangestellte empfahl Böttner oder Röttner in der Theatinerstraße, er hörte nicht genau zu.

Vor drei Jahren war bereits ein Kollege an Bandera gescheitert, vor zwei Jahren ein weiterer. Er war gewarnt. Er würde vorbereitet sein. Bandera war ein ukrainischer Nationalheld, und er war Kopf derOUN, der Organisation Ukrainischer Nationalisten.

Sie fuhren hinauf. Der Angestellte schloss ihm das Zimmer auf und wies hinein, als handle es sich um ein nobles Penthouse. Sorokin drückte ihm ein Fünf-Mark-Stück in die Hand und schloss die Tür hinter sich. Er setzte sich auf den Stuhl am Schreibtisch.

Er musste also hinein. Musste ihn töten, ohne Geräusch und ohne Spuren, und dann wieder hinauskommen. Die Makarow kam nicht infrage, selbst mit Schalldämpfer war die Gefahr, dass man den Schuss hörte, zu groß. Bandera arbeitete unter anderem für denBND, sicher hatten sie Wachposten aufgestellt. Fiel ein Schuss, würden die das Haus stürmen. Und in der Wohnung hielt Bandera womöglich selbst Überraschungen bereit.

Sorokin zog das Dossier aus dem Koffer und schlug es auf. Bandera hatte im Krieg seine eigene kleine Privatarmee angeführt. Unter dem DecknamenKonsul II hatte er für die Wehrmacht gearbeitet, dann war er abtrünnig geworden und hatte einen unabhängigen ukrainischen Staat ausgerufen, was die Deutschen nicht dulden konnten. Sie brachten Bandera nach Sachsenhausen, ließen ihn aber nach drei Jahren wieder frei, damit er den ukrainischen Widerstand gegen die Rote Armee anführte. Er täuschte sie und folgte wieder seinem eigenen Programm. Seitdem versuchte er, der Sowjetunion mit seinerOUN die Ukraine abspenstig zu machen, und war damit ein natürlicher Verbündeter desBND. Hinzu kamen die Informationen, an die er durch seine Wühltätigkeit gelangte un