Schuld an diesem wunderbaren Wahnsinn war von Anfang an mein Vater. Ich habe keine Ahnung, wann er damit angefangen hat, mich mit Fangesängen in den Schlaf zu singen. Was immer er damit auch bezwecken wollte, sollte er damit tatsächlich eine Absicht verfolgt haben, er hat sein Ziel definitiv nicht verfehlt. Denn ich war, und das kann ich mit absoluter Gewissheit behaupten, einer der größten Fußballfans meiner Zeit. Milan ist mein Blut, und die Squadra Azzurra meine Religion. Mit dieser Behauptung untertreibe ich noch die Darstellung meiner Liebe zum Calcio. Sicherlich hatte mein Vater die Absicht, mir den Fußball nahe zu bringen. Aber dass sich dieses Vorhaben im Laufe der Jahre so dermaßen entwickeln würde, das hatte selbst er nicht zu glauben gewagt. Mein Vater, geboren in Süditalien, in Bari, der Hauptstadt Apuliens. Aufgewachsen als Sohn eines Landarbeiters neben zwei weiteren, älteren Brüdern und einer Schwester (die er mir gegenüber niemals erwähnt hat. Wurde sie doch in den frühen Jahren ihrer Jugend, aus mir heute unbekannten Gründen totgeschwiegen), entdeckte er sehr früh seine Leidenschaft zum Fußball.
In den 30er, Anfang der 40er Jahre konnte man von gepflegten Rasenplätzen, wie man sie heute in fast ganz Europa vorfindet, nur träumen. Auf steinigem, sandigem Boden wurde gekickt. Die Tore waren meistens nur mit Kleidungsstücken oder Schuhen gekennzeichnet. Die Torpfosten und das dazugehörige Netz konnte man sich in seiner Fantasie bildhaft dazu ausmalen. Und die meisten Kinder hatten gerade einmal zwei Paar Schuhe. Eines für die Schule, zum Spielen und zum Arbeiten, und das andere für Sonntagvormittag, wenn’s in die Kirche ging, oder sonstige festliche Anlässe. Denn die Kinder konnten damals nicht in ein beliebiges Schuh- oder Sportgeschäft spazieren und den perfekt angepassten Fußballschuh aus hochwertigem Leder, wie sie heute gang und gäbe sind, einfach mal so aus Papas Brieftasche bezahlen. Was ich aus den Geschichten meines Vaters erfahren habe, was mir von seinen Freunden immer wieder bestätigt wurde, muss er ein ganz guter Stürmer gewesen sein. Er war anscheinend doch wirklich so gut, dass der Fußballtrainer und Stadtpfarrer aus Barletta, der nächstgrößeren Stadt etwa 30 km nördlich vom Heimatdorf meiner Großeltern entfernt, eines Tages nach Ruvo di Puglia kam, um meinen Vater zu einem Probetraining für seine Mannschaft einzuladen. Leider gab mein Großvater nicht die nötige Zustimmung. Zu damaligen Zeiten war es ja auch leider nicht selbstverständlich, dass ein Kind in irgendwelchen Vereinen seinen Hobbys nachgehen konnte. Das Geld war knapp und außerdem herrschte Krieg. Ja, mein Vater war au