: Nina Ohlandt
: Eisige Flut Nordsee-Krimi
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783732549245
: Hauptkommissar John Benthien
: 1
: CHF 9.10
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 445
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Eiskalte Morde an der Küste - der neue John-Benthien-Krimi von Spiegel-Bestsellerautorin Nina Ohlandt

An einem bitterkalten Februarmorgen wird John Benthien zu einem einsamen Haus in der nordfriesischen Marsch gerufen. Der Kommissar traut seinen Augen nicht: Vor der Tür des Hauses steht eine Tote, von Kopf bis Fuß in Eis gehüllt. Die geschockten Hausbewohner identifizieren sie als ihre seit Wochen vermisste Tochter. Doch warum hat der Mörder ihre Leiche auf so groteske Weise inszeniert? Benthiens Ermittlungen verlaufen zunächst ergebnislos, bis zwei weitere 'Eisleichen' auftauchen, die letzte auf Amrum. Nach und nach entschlüsselt der Kommissar das bizarre Rätsel - und entdeckt eine Verbindung zu seiner eigenen Vergangenheit ...

Kapitel 1


Sie stand vor dem einsamen Haus, unbeweglich, die Hand an der Klingel. Aus ihrer eisigen Hülle schaute sie blicklos ins Weite, über die leere, dunkle Schneeebene. Sie konnte nicht mehr denken, sie konnte nichts mehr wahrnehmen. Jemand hatte sie, die Besucherin, vor ihrem Elternhaus abgestellt wie eine Puppe, wie ein Exponat im Museum. Gleich würde ihre Mutter kommen und die Zeitung hereinholen.

Elke Derling konnte nicht schlafen in jener Nacht, seit Stunden wälzte sie sich im Bett herum. Obwohl die Heizung im Schlafzimmer lief und das Fenster geschlossen war, fror sie erbärmlich. Irgendwann gegen vier Uhr stand sie leise auf, um Hans nicht zu wecken, und zog sich bibbernd eine Thermostrumpfhose unter ihren Flanellschlafanzug. Obenherum versuchte sie, sich mit einem Rollkragenpullover zu wärmen, und ihre eiskalten Hände steckte sie in ihre wärmsten Handschuhe.

Ein Blick aufs Thermometer verriet ihr, dass es draußen Minus 27 Grad waren – einer der eisigsten Winter, da war sich Elke sicher, seit dem Katastrophenwinter 1978/1979, in dem in Schleswig-Holstein bei Temperaturen bis zu minus 50 Grad unvorstellbare Schneestürme gewütet hatten. Siebzehn Menschen verloren damals ihr Leben.

Auch jetzt lag der Schnee meterhoch, und der eisige Wind fegte heulend wie eine gemarterte Seele ums Haus. Die Küste war nicht weit entfernt. Direkte Nachbarn hatten sie hier nicht, und so war das kleine Backsteinhaus, das allein in der weiten Landschaft stand, der Kälte und dem Sturm schutzlos ausgeliefert.

Elke holte noch zwei Wolldecken aus dem Schrank; mit der einen deckte sie Hans zu, der am Abend mit einer Wollmütze ins Bett gegangen war, die andere legte sie auf ihre Daunendecke. Sie kroch wieder ins Bett in der Hoffnung, doch noch ein bisschen warm zu werden. Sie beneidete Hans, der, egal in welcher Lebenslage, selig schlief, sobald sein Kopf ein Kissen berührte. Oft schon hatte sie gedacht, dass Sorgen und katastrophale Ereignisse ihn einfach nicht so tief berührten wie sie – doch inzwischen hatte sie ihre Meinung geändert. Schlaf war für Hans ein Allheilmittel, das ihm zu einer gewissen Ausgeglichenheit verhalf, zu einer seelischen Stärke, um die sie ihn nur beneiden konnte. Dennoch hatte sie ihn manchmal weinen sehen, vor allem in letzter Zeit, seit dem Verschwinden ihrer Tochter Anja, und das, obwohl er stets bemüht war, sich nichts anmerken zu lassen, ihr immer eine starke Schulter zu bieten. Manchmal hatte sich Elke für ihre Schwäche geschämt.

Auch jetzt musste sie wieder an Anja denken, ihre verschwundene Tochter. Seit vier Wochen, seit der zweiten Januarwoche, gab es kein Lebenszeichen mehr von ihr. Das Schlimme war, dass sie zuerst gar nichts von Anjas Verschwinden mitbekommen hatten, denn sie waren nach langer Zeit noch mal verreist, für zehn Tage nach Mallorca. Elke hatte sich zwar gewundert, dass Anja sich nicht meldete und auch telefonisch nicht erreichbar war.