: Walter Brendel
: Der Reichtagbrandprozess Tatsachen, Hintergründe, Nachweise und Umstände
: epubli
: 9783754961797
: 2
: CHF 5.20
:
: Sozialwissenschaften allgemein
: German
: 302
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 brannte der Reichstag in Berlin. Der Brand beruhte auf Brandstiftung. Am Tatort wurde Marinus van der Lubbe festgenommen. Bis zu seiner Hinrichtung beharrte van der Lubbe darauf, den Reichstag allein in Brand gesetzt zu haben. Seine Alleintäterschaft schien bereits vielen Zeitgenossen unwahrscheinlich und wird weiterhin kontrovers diskutiert. Kritiker der Alleintäterthese vermuten eine unmittelbare Tatbeteiligung der Nationalsozialisten. Auf der grundlage vorhandener Quellen, der polizeilichen Ermittlungsakten, der stenografischen Berichte des Prozesses, Gutachten und der beiden Braunbücher wird versucht, Licht in mysteriösen Umstände zu bringen, denn auch zahlrieche Fälscher sind am Werk. Unbestritten sind die politischen Folgen. Bereits am 28. Februar 1933 wurde die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat (Reichstagsbrandverordnung) erlassen. Damit wurden die Grundrechte der Weimarer Verfassung de facto außer Kraft gesetzt und der Weg freigeräumt für die legalisierte Verfolgung der politischen Gegner der NSDAP durch Polizei und SA. Die Reichstagsbrandverordnung war eine entscheidende Etappe in der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur.Walter Brendel arbeitet als freiberuflicher Schriftsteller, Übersetzer und Illustrator. Er ist in Dresden wohnhaft. Mail: walterbrendel@mail.de Ruf: 0351 89323722

Walter Brendel arbeitet als freiberuflicher Schriftsteller, Übersetzer und Illustrator. Er ist in Dresden wohnhaft. Mail: walterbrendel@mail.de Ruf: 0351 89323722

Was tat van der Lubbe?


Mit ein paar harmlosen Kohlenanzündern konnte ein einzelner Landstreicher wie der Holländer van der Lubbe unmöglich das Reichstagsgebäude in Brand setzen - er muss also Helfershelfer gehabt haben! Dieses Argument bildet die Grundlage aller Theorien über die Entstehung des Reichstagsbrands, gleich, ob dem NS-Regime oder den Kommunisten die Schuld zugeschoben wird. Auch das Reichsgericht in Leipzig hatte sich ja diese These zu eigen gemacht und in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich festgestellt, es bestehe kein Zweifel, dass van der Lubbe bei seiner Tat durch Komplicen unterstützt worden sei.

Wie kamen die Leipziger Richter zu dieser Auffassung, wo sie doch den vier Mitangeklagten van der Lubbes keine Schuld nachweisen konnten, alle Zeugenaussagen, in denen von Mittätern die Rede war, als unglaubwürdig bezeichnen mussten, auch für die Hintermänner-Spekulation des Kriminalkommissars Dr. Zirpins keine Beweise auftreiben konnten?

Die Antwort lautet: Für das Fehlurteil des Leipziger Reichsgerichts sind die Brand-sachverständigen verantwortlich, die sich in ihren Gutachten nicht auf Tatsachen, sondern auf Vermutungen und Kombinationen stützten.

Das Dilemma des Sachverständigen vor Gericht hat der Arzt Dr. Joseph Scholmer in seinem Buch"Die Toten kehren zurück" so formuliert:"Entweder sagt er: ich weiß nichts, oder aber erzählt Dinge, von denen niemand merkt, dass sie nicht stimmen.

Wenn er ehrlich ist, verliert er sein Ansehen als Sachverständiger, wenn er schwindelt, bewahrt er sein Gesicht."

In der Tat werden die gerichtlichen Sachverständigen immer mehr zu einer unkontrollierbaren Autorität und entscheiden in vielen Fällen allein den Rechtsstreit. Der Ordinarius für Strafrecht an der Universität Göttingen, Professor Dr. Bockelmann, warnte daher 1957 in einem Vortrag vor der"drohenden Unterwanderung der Gerichte durch die Sachverständigen". Er sagte:

"Der Siegeszug des Spezialistentums hat vor den Toren der Gerichte nicht haltgemacht. Die logische Forderung wäre, den Richter zum Superspezialisten zu machen, um ihm eine eigene Beurteilungs- und damit Urteilsfähigkeit zu verschaffen. Hier besteht schon lange ein echtes und mitunter tragisches Problem: Die Spezialkenntnisse der Sachverständigen lassen sich durch guten Willen, Lebenserfahrung und selbst Weisheit des Richters nicht ersetzen. Der Sachverständige entscheidet den Rechtsstreit. Von seiner Qualität hängt die Gerechtigkeit des Spruches ab."

So ist es heute in vielen Prozessen. Und so war es auch im Reichstagsbrandprozess. Bemerkte der Schweizer Journalist Ferdinand Kugler am 23. Oktober 1933 in seinem Prozessbericht:"Nach einem bösen Wort wird Deutschland von den Sachverständigen zugrunde gerichtet." Im Reichstagsbrandprozess jedenfalls haben die Brandsachverständigen alles getan, um dieses"böse Wort" zu rechtfertigen.

Als Sachverständige fungierten in Leipzig

- Geheimrat Professor Emil Josse von der Technischen Hochschule Berlin, als Experte auf dem Gebiet der Wärmetechnik;

- Branddirektor Dr.-Ing. Wagner, Chef der Berliner Feuerwehr, als Praktiker in der Brandbekämpfung;

- Gerichtschemiker Dr. Wilhelm Schatz aus Halle.

Außerdem wurde ein Gutachten des Toxikologen und Gerichtschemikers Professor Dr. Brüning, Berlin, verlesen, dass bereits im März 1933 im Auftrag des Untersuchungsrichters Vogt angefertigt worden war.

Aus den Prozessprotokollen ergibt sich, dass jeder dieser Gutachter jeweils zu einem von dem der anderen Sachverständigen abweichenden Ergebnis gelangte. Die Richter konnten sich also entweder an den Knöpfen abzählen, welcher Hypothese über den vermuteten Ablauf des Brandgeschehens sie den Vorzug geben wollten, oder sie mussten - was weise gewesen wäre - alle vier Versio