: Martin Freund
: Zwischenweltenzeit
: Wenz Verlag
: 9783937791586
: 1
: CHF 4.30
:
: Fantastische Literatur
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In nicht allzu ferner Zukunft: Die Menschheit ist gezwungen ihr Dasein unter der Erde zu fristen und sich von Moosen und Pilzen zu ernähren, da die Erdoberfläche unbewohnbar geworden ist.Aber entspricht das der Wahrheit? Die Regierung, die Elite behauptet es zumindest. Doch wer kann sich noch an die Zeit vor der Katastrophe überhaupt erinnern?Ein alter Mann im Rollstuhl kann es. Er will den Verlust von Freiheit und Kultur, der Welt, wie er sie einst kannte, nicht einfach so hinnehmen. Gemeinsam mit einem Jungen und einem kleinen Hund macht er sich auf den Weg zur Oberfläche. Einzig getrieben von der Hoffnung: dort Leben zu finden.Zwischenweltenzeit ist ein atmosphärisch dichtes Endzeitszenario, ein Kammerspiel, eine leise Geschichte voller Erinnerungen und Neuentdeckungen. Und zugleich ein Appell, den Schatz zu bewahren, den unser heutiger Lebensraum noch darstellt.

Martin Freund wuchs im niederbayrischen Landshut auf. Sein Autorendasein verdankt er einem nächtlichen Traum, der seine Leidenschaft fürs Schreiben weckte.Seit 2014 ist Martin Freund Mitglied im Autorenverband Franken (AVF). Heute lebt er mit seiner Frau in Weißenburg.

 

Oben! Endlich bin ich oben. 43 Tage, 9 Stunden und 12 Minuten – nach meinem Abschied von Großvater und der Kleinen – hat es bis zu diesem ersten Etappenziel gedauert. Ein Zwischenziel, mehr ist es nicht als das, aber auch nicht weniger.

Es funktioniert gut, ganz nebenbei erwähnt, das Zählen der einzelnen Tage. Es ist mir inzwischen, wie Großvater, meinem Lehrmeister, in Fleisch und Blut übergegangen. Die Hilfe der Uhr benötige ich nicht mehr – doch wie tröstlich es ist, sie bei mir zu wissen …

Ja, 43 Tage – so lange bin ich schon allein unterwegs. Den Ausgang der Höhle habe ich bereits vor Stunden hinter mir gelassen, und damit den Weg, der herausführte aus dem Reich der Düsternis, das bisher meine Welt bedeutet hat.

Der Aufstieg bis zu dem Punkt des Übergangs von einer Welt in eine andere war entsetzlich anstrengend. Nicht nur körperlich, sondern vor allem mental – „seelisch“ hätte Großvater gesagt. Denn der Weg hinauf bedeutete für mich, endgültig und für alle Zeit Abschied zu nehmen von meinen beiden langjährigen Freunden und Begleitern. Trauerarbeit war es, was ich da Schritt für Schritt, Stunde für Stunde, Tag für Tag verrichtete. Und je näher ich diesem ersten von möglicherweise vielen Zielen kam, also dem Wechsel in eine andere, eine hoffentlich lebenswertere Umgebung, desto besser erging es mir dabei. Ich lernte, loszulassen und freizugeben, um selbst frei zu werden. Und ich lernte, mit Trauer umzugehen. Denn sie ist meine ständige, beharrliche und mir zunehmend vertraute Weg­gefährtin geworden in diesen Tagen und Wochen – und dabei hatte ich so viele Jahre gedacht, dieses Gefühls nicht fähig zu sein …

 

„Trauer ist neben der Liebe und dem Hass die vielleicht stärkste Empfindung, derer wir Menschen fähig sind, Junge. Trauer und Liebe, die Fähigkeit zu diesen Gefühlen unterscheidet uns wohl am deutlichsten von allen anderen Lebewesen!“

„Aber die Kleine liebt uns doch auch? Oder nicht? Und sie ist ein Hund, kein Mensch!“

„Du hast ja recht, Junge. Sie liebt uns, und sogar in einem Maße, dessen wir Menschen gar nicht fähig sind. Nämlich ohne Einschränkung, ohne über unsere Schwächen, unsere Makel und Fehler nachzudenken. Ohne um diese überhaupt zu wissen. Liebt ein Hund einen Menschen, dann tut er das bedingungslos und für alle Zeit. Aber er vermag nicht zu nuancieren, nicht zu erkennen, dass man einen anderen trotz, manchmal sogar gerade wegen seiner Schwächen und Fehler lieben kann. Verstehst du, was ich meine?“

Ich schüttelte den Kopf. Nein, ich verstand nicht wirklich, was Großvater mir sagen wollte.

„Schau: Wir zwei, wir lieben uns, oder?“

Ich nickte stumm. Das verstand ich, mehr noch: das wusste ich!

„Wir würden alles füreinander tun, richtig? Und das, obwohl wir um unser beider Eigenarten wissen. Es gibt Eigenschaften an mir, die du nicht gutheißt, und ich weiß ebenfalls Dinge aufzuzählen, die mich an dir stören könnten. Ich sage ‚könnten‘, weil die Liebe zu dir