: Tove Alsterdal
: Die Verschwundenen von Jakobsberg Kriminalroman
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783732522866
: 1
: CHF 10.70
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 589
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Jakob berg, nahe Stockholm, 2014: Eine junge Frau stürzt von einem Balkon in den Tod. Wurde sie gestoßen? Als ihre Schwester erfährt, dass Camilla zuvor in Südamerika war, wird sie hellhörig und stellt Nachforschungen an. Eine Spur führt in das Argentinien der 70er Jahre, in dem Tausende Menschen von der Militärjunta gefoltert wurden - und spurlos verschwanden. Auch die Mutter der Schwestern war 1977 dorthin gereist, um gegen das Regime zu kämpfen. Steht ihr Verschwinden in Verbindung zu Camillas Tod im heutigen Schweden?



Tove Alsterdal, 1960 in Malmö geboren, lebt in Stockholm. Sie hat als Journalistin sowie für Theater und Film gearbeitet. Die Verschwundenen von Jakobsberg ist ihr dritter Kriminalroman, der wie ihre Vorgänger Tödliche Hoffnung und Tödliches Schweigen Kritiker und Leser gleichermaßen begeistert hat. Ihre Krimis erscheinen mittlerweile in vierzehn Ländern.

 


Niemand, der ihn in dieser Nacht die Gehsteige von Jakobsberg entlangwandern sah, wusste, wer er wirklich war. Die Leute von früher waren weggezogen, ihren Träumen hinterher, und manche waren sicher auch abgekratzt, neue Mieter hatten ihre Möbel reingeräumt. Ein Klingelschild wurde abgeschraubt, ein Gesicht verblasste.

Der Ritter bog Richtung Zentrum ab. In dem Neonschild über dem Kino »Falken« leuchteten die Buchstaben F und N nicht mehr. Er ging an den Fenstern des ehemaligen Domus-Cafés vorbei, wo sich jetzt die Coop-Kassen befanden. Wenn er blinzelte, konnte er dort drinnen seine alten Kumpel noch um den runden Tisch sitzen sehen. Dann hatte er wieder eine Ahnung, wie das Leben sich von dort drinnen aus angefühlt hatte.

Er wusste noch genau, an welchem Fenster sie gesessen hatten, als sie das erste Mal zusammen dort gewesen waren. Der Duft ihres Haars, das ihr widerspenstig in die Augen hing, wie sie den Kopf in den Nacken legte, wenn es ihm gelang, sie zum Lachen zu bringen.

Ein eisiger Wind fuhr zwischen den scharfkantigen Innenstadtgebäuden hindurch und wusste nichts vom Frühling, wirbelte Müll und verstreute Erinnerungen auf.

War ja klar, dass niemand ein Café betreiben konnte, in dem die Leute halbe Tage lang bei einer Tasse Java zusammensaßen. Nicht mal in Kooperation konnte man das. Nicht in Zeiten wie diesen. Die Gesellschaft musste sich entwickeln. Entweder ging es voran oder den Bach runter.

Eine Gruppe Jugendlicher lärmte vorüber. Tief sitzende Hosen und Kapuzenjacken, auf dem Weg zur Söderhöjd. Um nicht mit ihnen zusammenzustoßen, wich der Ritter in den Gang zwischen Gemeindehaus und Angelos Kiosk aus. Ein paar Nachtschwärmer von der letzten S-Bahn tauchten aus den Tunneln auf und zerstreuten sich in alle Richtungen. Vor dem Riddar Jakob stand ein Wachmann und rauchte.

Und da plötzlich erblickte er sie. Oder vielleicht auch etwas später. Erst stolperten ein paar junge Frauen um die zwanzig aus der Kneipe und lachten. Discomusik dröhnte über den gepflasterten Platz, dann schloss sich die Tür wieder.

Riddar Jakob. Diese Kneipe oberhalb der S-Bahn-Unterführung hatte es schon immer gegeben. Er spürte ihre Anziehungskraft wie damals. Die Wärme dort drinnen und die dicken Rauchschwaden. Der bloße Gedanke an Bier in überschäumenden Gläsern ließ seine Beine zucken. Das Vibrieren der Saiten unter den Fingerspitzen der linken Hand in einem C-Moll-Akkord! Blues lag in der Luft,und jetzt hört zu, denn ich werde euch ein Lied über das bittere Leben und die wunderbare Liebe spielen … Der Ritter spannte die Finger an und krümmte sie in der Tasche, Zeigefinger auf der B-Saite, erster Bund, Mittelfinger auf der D-Saite, zweiter Bund. A-Saite unter der Ringfingerspitze, den kleinen auf E undWäng!, er hörte kristallklar, wie er anschlug.

Dann öffnete sich die Tür erneut. War sie das wirklich?

Das dunkle Haar flog um ihren Kopf, wie schön sie war. Ohne nachzudenken, trat er ein paar Schritte aus dem Schatten und hob die Hand.

»Na, hallo«, sagte er. »Grüß dich, Mädchen.«

Ihre Lederjacke stand offen und sie trug ein Paar Turnschuhe aus Stoff, es sah ein bisschen kalt aus.

»Wie geht’s?«, fragte er und strich sich mit zitternder Hand die Haare z