: Lisa Wingate
: Der Ruf des Meeres
: Francke-Buch
: 9783868277456
: 1
: CHF 11.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 380
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die erfolgreiche Restaurantbesitzerin Whitney will expandieren. Da kommt es ihr gerade recht, dass ihre Mutter ihr ein altes Hotel am Atlantik vererbt. Vielleicht lässt es sich ja noch zu Geld machen? Doch ihre Sondierungsreise nach Roanoke Island stellt Whitney vor ungeahnte Schwierigkeiten: Sie muss sich nicht nur mit ihrem Stiefvater auseinandersetzen, der für sie lange ein Fremder war, sondern auch noch mit Mark, der in dem historischen Gebäude einen Surfshop betreibt und von ihren Plänen alles andere als begeistert ist. Außerdem hält das alte Gemäuer für Whitney die eine oder andere rätselhafte Entdeckung bereit. Während sie die Schätze sichtet, die das Hotel birgt, beginnt für sie eine Reise zu ungeahnten Familiengeheimnissen ...

Lisa Wingate arbeitet als Journalistin, Kolumnistin, Rednerin und Autorin. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Texas.

Kapitel 1

Vielleicht ist das Nicht-wahrhaben-Wollen ein Schutzmechanismus, um das Herz vor einem Tiefschlag abzuschirmen, den es nicht verkraftet. Vielleicht ist es aber auch viel banaler. Vielleicht ist das Verleugnen auch einfach nur ein Nebenprodukt von Eigensinn, der etwas trotz erdrückender Beweise nicht wahrhaben will.

Ich kann nicht sagen, welche Erklärung in meinem Fall zutraf, als ich jetzt im Türrahmen stand, eine zitternde Hand auf dem Türgriff und in der anderen die Schlüssel, aber ich konnte nur eines denken:Das darf nicht wahr sein! So kann es doch nicht enden! Alles ist so … still. Wenn ein Traum stirbt, sollte man das wenigstens hören. Es steht ihm zu, in einem theatralischen Ruhmesfeuer zu erlöschen. Es sollte eine dramatische Sterbeszene geben, ein ächzendes Ringen nach Luft. Irgendetwas.

Denise legte eine Hand auf meine Schulter und flüsterte: „Geht es dir gut?“ Ihre Stimme wurde beim letzten Wort ganz leise und klang gebrochen.

„Nein.“ Ein verzerrter, bitterer Ton verschärfte die Härte des Wortes. Meine Bitterkeit war nicht gegen Denise gerichtet, das wusste sie. „Hier ist überhaupt nichtsgut. Absolut gar nichts!“

„Das stimmt.“ Sie lehnte die Schulter an den Türrahmen und legte den Kopf so an die Seite, dass ihre Wange das Holz berührte. „Aber ich bin nicht sicher, ob es die Sache besser oder schlimmer macht, wenn wir hier stehen und es uns ansehen. Zum endgültig letzten Mal.“

„Wir haben so viel Energie in dieses Projekt gesteckt.“ Das Leugnen meldete sich erneut, so unvernünftig es auch war. Ich hätte es gerneHoffnung genannt, aber falls dieses Gefühl Hoffnung war, dann nur eine falsche, hauchdünne Hoffnung. Eine Hoffnung, die einen nur verhöhnt.

Die Haare von Denise fielen wie ein heller, seidiger Vorhang über ihre Schultern und bildeten einen auffallenden Kontrast zu meinen Haaren. Wir waren zwar Cousinen, aber wir waren schon immer sehr verschieden gewesen: Denise war rotblond, hell und hatte Sommersprossen, ich war dunkelhaarig, blauäugig und hatte einen olivfarbenen Teint. Denise war häuslich und ich war ständig auf Wanderschaft.

„Whitney, wir müssen es aufgeben. Sonst verlieren wir am Ende beide Restaurants.“

„Ich weiß. Ich weiß, dass du recht hast.“ Trotzdem rebellierte etwas in mir.Alles in mir rebellierte. Ich konnte den Gedanken nicht er