: Heinrich Mann
: Zwischen den Rassen Verführungsroman
: AtheneMedia-Verlag
: 9783869924007
: 1
: CHF 4.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 560
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Roman um Freiheit, Abenteuer, Verführung, Ernüchterung, Hoffnung mit autobiographischen Zügen: Die junge Lola Gabriel lebt seit früher Kindheit behütet von Ernestine und getrennt von ihren Eltern in Deutschland. Sie ist sechzehn Jahre alt, als der Vater stirbt. Lolas Mutter Mai ist Brasilianerin aus Rio. Mai und Lola verlassen Deutschland und reisen durch die Welt. Lola liebt zwar den zurückhaltenden Deutschen Arnold Acton. Doch das sinnliche blonde Mädchen fällt auf den Florentiner Hasardeur Graf Pardi herein. Die Ehe mit ihm scheitert. Ernüchtert kehrt die junge Frau zu ihrer ersten Liebe zurück ... Luiz Heinrich Mann war deutscher Schriftsteller aus der Familie Mann. Der ältere Bruder von Thomas Mann analysierte früh autoritären Strukturen des Deutschen Kaiserreichs im Zeitalter des Wilhelminismus und war Verfechter der Demokratie, stellte sich von Beginn an dem Ersten Weltkrieg und Nationalsozialismus entgegen. Manns Werke wurden in dieser Dunklen Zeit öffentlich verbrannten.

Luiz Heinrich Mann war deutscher Schriftsteller aus der Familie Mann. Der ältere Bruder von Thomas Mann analysierte früh autoritären Strukturen des Deutschen Kaiserreichs im Zeitalter des Wilhelminismus und war Verfechter der Demokratie, stellte sich von Beginn an dem Ersten Weltkrieg und Nationalsozialismus entgegen. Manns Werke wurden in dieser Dunklen Zeit öffentlich verbrannten.

II


An Bord des großen Dampfschiffes, auf das Lola gebracht ward, standen Pai und die schwarze Anna. Welch Wiedersehen! Dann:

„Pai, ist es wahr, daß wir ganz wegfahren? Und Mai? Und Nene? Und wohin fahren wir denn?“

Herr Gustav Gabriel fuhr mit seiner kleinen Tochter nach Hause, weil sie eine Deutsche werden sollte.

Mit neunzehn Jahren war er herübergekommen und hatte sich begeistert eingelebt. Bis zu seinem dreißigsten Jahre berührte ihn niemals Sehnsucht nach seinem Vaterland. Er dachte seiner wie an etwas Kleinliches und Bedrücktes; machte ihm auf einer Europareise einen spöttischen Besuch; fühlte sich mit Stolz als Brasilianer . . . Eines Tages bekam er zu spüren, daß er’s nicht sei. Er hatte geschäftliche Einbußen erlitten: was zu Demütigungen führte von seiten seiner Freunde und der Familie seiner Frau. Er sah sich plötzlich allein und ihm gegenüber eine ganze Rasse, deren für immer unzugängliche Fremdheit er auf einmal begriff. Nun fing er an, auf das Landseiner Herkunft als auf eine Macht zu pochen, sich selbst als Erzeugnis einer Kultur zu fühlen, von deren Höhe seine Umgebung nichts ahnte. Bei der Umschau nach Bundesgenossen begegnete er den Blicken seiner Kinder. Auch diese sollten in Sitten und Sprache eines niedrigeren Volkes erwachsen? Seine Feinde werden? Die Laute, die ihm in herzlichen Stunden kamen, die er von seiner Mutter erlernt hatte, sie sollten sie nie verstehen? Er hatte sie, wenn er ihnen deutsche Kosenamen gab, sich anblicken und lächeln gesehen . . . Das sollte anders werden! Ihr Vaterland war nicht dieses, und er wollte sie ihm zurückgeben! Mit dem Jungen würde es vielleicht schwer gehen: die Nachfolge im hiesigen Geschäft ward ihm bereitet; — aber seine Tochter! Er erblickte sich schon mit ihr in dem Garten, worin sein Elternhaus stand. Dort wollte er einst enden. Er sah sich den Weg zum Tor des Städtchens gehen, und an seiner Seite ein blondes junges Mädchen: seine Tochter. Sie war blond; sie war sein Kind und eine Deutsche. Er nahm sie für sich allein; mochte seine Frau — wie fremd sie ihm eigentlich geblieben war! — sich an dem Jungen schadlos halten: seine Tochter sollte ihn verstehen lernen, sollte in solcher Reinheit und Gediegenheit leben, wie man nur zu Hause lebte. Sie sollte nach Haus.

Nie war Pai so zärtlich gewesen mit Lola! Übrigens sollte sie bald zurück; und Mai und Nene würden sie besuchen, dort, wohin sie fuhren. Solche Fahrt war lustig: sie sollte sehen.

Vorläufig ward ihr sehr übel; es dauerte drei Tage; aber Pai selbst pflegte sie; er selbst tat alles, was Anna hätte tun müssen. Zwischen ihren Krisen lag Lola in aller Erschöpfung ganz glücklich da; und wenn sie ihre Hand in Pais schob, war ihr’s, als sei sie selbst ganz in Pais Hand geschlüpft.

Dann konnte sie aufstehen und zusehen, wie die Matrosen Fische heraufzogen: einen Fisch sogar mit einem langen Säbel an der Nase!

Da aber nahte jemand mit einem Wasserschlauch und bespritzte alle Kinder. Man mochte sich hinter den Schornstein verstecken oder in einer Taurolle: überall trieb der Strahl einen wieder hervor: es war ein angstvolles Vergnügen. Die durchnäßten kleinen Mädchen kreischten, und die Damen und Herren freuten sich laut, daß sie trocken waren. Überhaupt war es zum Erstaunen, wie lustig alle waren, wie freundlich miteinander und mit Lola. Es schien, sie hatte