: Dorothe Reichling
: Wechseljahreszeiten - oder - Als ich lernte, im Regen zu tanzen - Roman über die Selbstfindung in der Lebensmitte
: Verlag DeBehr
: 9783987270024
: 1
: CHF 4.00
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: Romanhafte Biographien
: German
: 258
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Liz erwacht eines Morgens und stellt überrascht fest, dass sie alt geworden ist. Sie ist zwar rein rechnerisch schon eine ganze Weile in ihren Fünfzigern, doch der letzte Rest ihrer Jugend hat quasi über Nacht seine Koffer gepackt und ist für immer aus ihrem Leben geflüchtet. Dafür ziehen zehn Kilo mehr auf der Waage ein. Und die Hitze in den Nächten ist auch keine Leidenschaft, es sind die Wechseljahre pur. Ihre Beziehung mit Theo ist die nächste Katastrophe. Wütend und verletzt packt Liz ihre sieben Sachen und nimmt Reißaus. Sie will endlich ihre Träume leben. In Paris aufzuwachen, wäre schon mal ein guter Anfang. Liz lässt alles hinter sich und wagt einen Neuanfang. Ein Buch über Vernunft und Unvernunft, letzte Chancen, späte Selbstbestimmung und die Sehnsucht nach mehr. Ein Roman über den letzten großen Umbruch im Leben. Mit Ironie und spitzer Zunge erzählt Dorothe Reichling die Geschichte von Liz und deren Wechseljahreszeiten. Eine Hommage an alle Frauen.

 

Wieder einmal saß Liz, wie so oft in letzter Zeit, gelangweilt in ihrer kleinen Küche. Neben ihr auf dem Tisch standen noch die Reste ihres Frühstücks. Sie sah aus dem Fenster. Der Himmel hing voll mit dicken, schweren Regenwolken. Liz fragte sich, mit einem Seufzer, der ihr im Hals stecken blieb: Was fängt man mit dem Rest seines Lebens an, wenn man keinen Plan hat für den bevorstehenden Tag? Und was macht man mit dem morgigen Tag und den darauffolgenden Tagen? Hier unterbrach sie meist ihren Gedankengang. Denn sie wusste nicht, wie sie erreichen konnte, was sie für ihr Heute, Morgen und für den Rest ihres Lebens wollte. Liz fand, dass es schon lange an der Zeit war für eine Veränderung.

Sie nippte an ihren Kaffee. Irgendwie schmeckte dieser heute Morgen auch nicht wie sonst. Ein wenig bitter, so wie Liz’ gegenwärtiger Zustand. Bitter mit einer Prise oder doch eher ordentlicher Portion Enttäuschung und Wut auf sich selbst. Sie starrte auf den angebissenen Toast, bestrichen mit extra viel hausgemachter Erdbeermarmelade. Mindestens zweihundert Kalorien lagen vor ihr, auf die sie lieber verzichten sollte. Sie schob den Teller entschlossen ein Stück von sich. Aber ihr schlechtes Gewissen saß ihr bereits im Nacken. Liz wusste, dass der Toast in nicht einmal fünf Minuten verschlungen sein würde. Sie tat sich schwer mit Entscheidungen. Sonst hätte sie längst ihre Waage aus dem Badezimmer entsorgt. Aber wie mit so vielen Dingen im Leben, hatte auch Liz Angst davor, etwas zu verpassen. Wer weiß, vielleicht nahm sie ja doch noch ein paar Gramm ab. Resigniert räumte sie mit sicheren Handgriffen den Tisch ab. Stellte das schmutzige Geschirr ins Spülbecken und schaute sich fragend um. Sollte sie zuerst das Bett machen oder doch lieber erst ins Bad gehen? Oder doch in der Küche bleiben und die zwei Teile Geschirr spülen? Wie war ihre Reihenfolge gestern gewesen? Liz brauchte unbedingt etwas Abwechslung in ihrem tristen Dasein. Ihr Alltag ödete sie an.

Liz handelte ganz frech und irrsinnig spontan und machte nichts von alledem. Kreativ wie sie als Künstlerin nun einmal war, schnappe sie sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Sie zappte kreuz und quer durch die Programme. Die Ernüchterung folgte prompt. Auch hier gab es nichts Aufregendes oder Neues. Die Welt da draußen war noch genauso am Arsch wie gestern um diese Zeit. Liz zwang sich, wenigstens die Nachrichten einmal am Tag anzuschauen. Die Berichterstattung war jedoch meistens sehr düster. Da gab es diese Leute, die alles hatten und sich dennoch empörten, wenn sie was abgeben sollten. Ob Politiker, die Angst um ihre Diäten hatten. Oder die Reichen und noch Reicheren, die Panik bekamen, wenn die zweite Yacht kleiner ausfiel als die, die im Nachbarhafen lag. Und dann gab es die anderen. Diese armen Schweine, die jammerten und ihren verpassten Träumen hinterhertrauerten. Sie gaben jedem die Schuld an ihrem verpfuschten Leben. Jedem, außer sich selbst. Ihr einziger Gedanke waberte im Dunstkreis der sozialen Minderheit. Diese Leute hatten keine Ziele mehr. Sie verfolgten nur noch einen Wunsch: Eine regelmäßige Hartz-Vier-Erhöhung. Liz fragte sich, wo sie in ein paar Jahren stehen würde. Superreich, wohl kaum, aber Hartz Vier, nein danke. Sollte sie jetzt schon zugeben, dass sie so gut wie alles in ihrem Leben falsch gemacht hatte. Nein! Noch war sie nicht bereit, sich dem Schicksal Hartz IV zu ergeben, auch wenn das Geld nie wirklich reichte. Bereits Mitte des Monats war sie schon wieder blank und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Es war jeden Monat das gleiche Spiel. Zu wenig Geld zum Leben und zu viel, um zu sterben. Ein Spru