: John Grisham
: Die Jury Roman
: Heyne
: 9783641110239
: 1
: CHF 8.10
:
: Spannung
: German
: 640
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gerechtigkeit oder Rache?
Ein zehnjähriges Mädchen wird brutal misshandelt und vergewaltigt. Ihr Vater, Carl Lee Hailey, übt Selbstjustiz und tötet die geständigen Täter, als sie nach einer ersten Anhörung den Gerichtssaal verlassen. Mord oder Hinrichtung? Gerechtigkeit oder Rache? Das Verfahren gegen Hailey gerät zum Sensationsprozess. Staatsanwalt und Richter sind Weiße, Hailey ist ein Schwarzer.

John Grisham ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Seine Romane sind ausnahmslos Bestseller. Zudem hat er ein Sachbuch, einen Erzählband und Jugendbücher veröffentlicht. Seine Werke werden in fünfundvierzig Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia.

1


Billy Ray Cobb war der jüngere der beiden Rednecks1. Als Dreiundzwanzigjähriger hatte er bereits drei Jahre im Staatsgefängnis bei Parchman verbracht – Besitz von Rauschgift mit der Absicht, es zu verkaufen. Die sechsunddreißig Monate in der Strafanstalt stellten den hageren, zähen Billy Ray auf eine harte Probe, aber er überlebte, indem er ständig Stoff vorrätig hielt: Er tauschte ihn gegen andere Dinge ein und schenkte ihn gelegentlich den Schwarzen oder bestimmten Wärtern, um ihren Schutz zu genießen. Nach seiner Entlassung stieg er wieder ins Drogengeschäft ein und verdiente so gut, daß er jetzt, etwa ein Jahr später, zu den wohlhabenderen Rednecks in der Ford County zählte. Er war Geschäftsmann mit Angestellten, Terminen und so weiter; allerdings zahlte er keine Steuern. Der Ford-Händler drüben in Clanton kannte ihn seit langer Zeit als einzigen Kunden, der bar bezahlte. Sechzehntausend Dollar für einen Pickup-Kleinlieferwagen, Spezialanfertigung, Allradantrieb, kanariengelb, Luxusausstattung. Die verchromten Felgen und breiten Rennreifen entstammten einem Deal; die Konföderiertenfahne am Rückspiegel hatte Cobb während eines Ole-Miss-Footballspiels einem betrunkenen Studenten gestohlen. Der Pickup stellte seinen kostbarsten Besitz dar. Er saß nun auf der Ladeklappe, mit einem Joint zwischen den Lippen, trank ein Bier und beobachtete, wie sich sein Freund Willard das schwarze Mädchen vorknöpfte.

Willard war vier Jahre älter und ein Dutzend Jahre langsamer. Er galt im großen und ganzen als harmloser Kerl, der nie in ernste Schwierigkeiten geriet und nie längere Zeit im Knast saß – nur dann und wann eine Nacht in der Ausnüchterungszelle, nichts Besonderes. Wenn man ihn nach seinem Beruf fragte, bezeichnete er sich als Holzarbeiter, doch der schmerzende Rücken hielt ihn vom Wald fern. Er verdankte den Bandscheibenschaden der Arbeit auf einer Bohrinsel irgendwo im Golf. Die Ölgesellschaft hatte ihm damals eine großzügige Abfindung gegeben, die jedoch in die Binsen ging, als sich seine Frau von ihm scheiden ließ. Derzeit arbeitete er für Cobb – Billy Ray zahlte zwar nicht viel, aber er hatte immer Dope. Zum erstenmal seit Jahren konnte sich Willard jederzeit Nachschub beschaffen. Und er brauchte eine Menge, seit er an den Rükkenschmerzen litt.

Das Mädchen war zehn und klein für sein Alter. Es lag auf den Ellenbogen aufgestützt, die Arme mit einem gelben Nylonstrick gefesselt. Die Beine waren auf groteske Weise gespreizt: der rechte Fuß an den Stamm einer kleinen Eiche gebunden, der linke an den schiefen Pfosten eines alten, vernachlässigten Zauns. Das Seil schnitt der Schwarzen in die Haut, und Blut tropfte aus den Wunden. Das eine verquollene Auge im blutigen Gesicht blieb geschlossen, und das andere konnte sie nur halb öffnen, um den zweiten Weißen auf der Ladeklappe des Wagens zu erkennen. Sie blickte