: Brigitte Riebe
: Die Schwestern vom Ku'damm: Ein neuer Morgen
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644007536
: Die 50er-Jahre-Reihe
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 480
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der vierte Teil der erfolgreichen Ku'damm-Reihe von Bestsellerautorin Brigitte Riebe Berlin, 1966: Die geteilte Stadt ist ebenso im Umbruch wie das Modekaufhaus Thalheim am Ku'damm. Die Jugend rebelliert, die Röcke werden kürzer, doch Chef-Designerin Miriam Feldmann hat alle Mühe, Kaufhaus-Patriarch Friedrich davon zu überzeugen, dass die Frauen nun Knallfarben statt Pastell tragen wollen. Wenigstens ihr Privatleben läuft in gewohnt ruhigen Bahnen. Ihren Platz in der Familie Thalheim hat sie gefunden, Adoptivtochter Jenny wächst zu einer klugen jungen Frau heran. Als Miriam, die nie eigene Kinder bekommen konnte, mit Anfang vierzig schwanger wird, ist plötzlich auch ihr eigenes Leben im Umbruch. Dann begegnet sie einem Mann wieder, den sie im Krieg kennenlernte. Die Begegnung führt sie zu den dunkelsten Stunden ihres Lebens zurück ... Alles wird anders: die Thalheim-Schwestern und ihr Kaufhaus im Berlin der Swinging Sixties.

Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte lebendig werden lässt. Ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

1


Berlin, Herbst 1966

Was für ein grandioses Chaos!

Wohin sie auch schaute – nichts als Kartons, Kartons und noch einmal Kartons. Erschöpft ließ Miriam Feldmann sich auf die unterste Treppenstufe sinken. Bis in die Abendstunden hatte die Umzugsfirma Engert den gesamten Hausstand aus der Charlottenburger Wohnung zum neuen Zuhause in der Eichenallee transportiert; es war längst dunkel, als der Lastwagen die Einfahrt endgültig verließ. Ein paar Gläser waren zu Bruch gegangen, ein Sofabein hatten sie aus Versehen abgeknickt, einen Lampenschirm zerdeppert. Vermutlich würden noch weitere Schäden auftauchen, wenn alles erst einmal vollständig ausgepackt war. Im Großen und Ganzen jedoch war diese aufwändige Aktion erstaunlich reibungslos verlaufen. Die wertvollsten Dinge aus ihrem Besitz hatte sie den hemdsärmeligen Männern natürlich nicht anvertraut – vor allem nicht den alten Koffer, der für sie einmal die ganze Welt bedeutet hatte.

Jetzt war das Gröbste geschafft; mit dem Einräumen würde Miri dann morgen richtig durchstarten. Rike, gute Freundin und älteste Schwester in einer Person, hatte versprochen, sie dabei zu unterstützen. Dank ihrer methodischen, zupackenden Art konnten sie sicherlich schnell vorankommen, da durfte Miri sich jetzt guten Gewissens ein paar Takte Ruhe gönnen. Ihr Mann hatte schon vor Stunden ins Lokal aufbrechen müssen, weil imSchanigarten ein festliches Verlobungsessen in großer Runde anstand, das die Anwesenheit des Chefs dringend erforderte. Jenny schlief endlich unter dem Dach auf ihrer neuen Jugendliege.

Miri hatte sich zunächst dagegen gesträubt, ins Westend zu ziehen, weil sie nicht in einem dieser Protzhäuser leben wollte, wie sie die schnieken Villen ringsherum gern spöttisch nannte, doch die alte Wohnung war auf Dauer unbestreitbar zu eng. Jenny hatte gemault und sich ein größeres Zimmer gewünscht, weil sie nun doch schließlich ein Teenager war. Letztendlich hatten Miri die Argumente ihres Mannes überzeugt: Schani hatte für einen kürzeren Weg zum Restaurant plädiert, damit ihm zwischen Mittags- und Abendgeschäft mehr Zeit zum Ausruhen blieb. Außerdem hatten Jenny und er sich bereits bei der ersten Besichtigung in die ramponierte Doppelhaushälfte mit dem verwunschenen Gärtchen verliebt, während Miri trotz des günstigen Kaufpreises zunächst zurückhaltend geblieben war. Eine demente Katzenliebhaberin hatte dort über Jahre mit Dutzenden halb verwilderten Samtpfoten gehaust und für reichlich Dreck und schauerlichen Gestank gesorgt, was den Preis für das Anwesen nach unten gedrückt hatte.

Davon war zum Glück inzwischen nichts mehr zu riechen. Eine Armee von Handwerkern hatte über Monate emsig gewerkelt, um alle unliebsamen Spuren zu beseitigen – und mehr als das: Das Dachgeschoss war ausgebaut, die gesamte Elektrik auf den neuesten Stand gebracht. Es gab eine kiwigrüne Einbauküche mit geräumigem Kühlschrank, überall waren die Wände frisch gestrichen, die Sanitärräume modern verfliest und im ganzen Haus die Böden neu verlegt. Nur die alten Holzstufen knarzten noch bei jedem Tritt, als hätten sie viele Geheimnisse zu erzählen. Alles war hell, freundlich und mittlerweile so wohnlich, dass sogar Miri sich mit dem neuen Anwesen anzufreunden begann.

War sie das ihren Liebsten nicht schuldig?

Mann wie Adoptivtochter konnten ja schließlich nichts dafür, dass