: Hans-Josef Fritschi
: Alternativloses Heilen Welche Medizin wir bekommen, wenn Globuli& Co. verschwunden sind
: zu Klampen Verlag
: 9783866747586
: 1
: CHF 12.50
:
: Alternative Heilverfahren
: German
: 160
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gegenwärtig gibt es eine neuentfachte gesellschaftliche Diskussion über alternativmedizinische Heilverfahren, welche mit den Theorien der Naturwissenschaft in Konflikt stehen. Vor allem die Homöopathie gerät zunehmend unter Beschuss und soll, wenn es nach dem Willen der Gegner der Alternativmedizin geht, aus der ärztlichen Praxis ausgeschlossen werden. Aber auch anderen Methoden wie Akupunktur, Osteopathie oder Yoga soll künftig kein Platz mehr im Gesundheitswesen eingeräumt werden. Organisierte Gruppierungen aus den Reihen der sogenannten Skeptikerbewegung setzen sich mit großangelegten Kampagnen dafür ein, diese Ziele gesellschaftlich und politisch umzusetzen. Hans-Josef Fritschi prüft die Intentionen und Argumente der Homöopathiegegner und beleuchtet, wieso die Diskussion solch medialen Aufwind erhalten hat. Außerdem wagt er einen kritischen Blick in die Zukunft der angestrebten streng rationalistischen Einheitsmedizin und untersucht, was sie für die Patientinnen und Patienten bedeuten würde. Ein Plädoyer für den Erhalt der Komplementärmedizin.

Hans-Josef Fritschi, geboren 1958, ist Heilpraktiker, Referent für Gesundheitsbildung und Autor. Nach verschiedenen Ausbildungen im medizinischen Bereich war er selbständig in einer Naturheilpraxis tätig und ist Autor verschiedener Bücher zum Thema Ganzheitsmedizin. Obwohl selbst nicht Homöopath, befasst er sich seit den neunziger Jahren mit der Kritik an der Homöopathie und hat inzwischen mehrere Veröffentlichungen hierzu vorgelegt. Er setzt sich dafür ein, die Argumente für und gegen Homöopathie offen und konstruktiv zu diskutieren.

Darf die sanfte Medizin kritisiert werden? Aber ja doch!


Die Einschätzung der verschiedenen medizinischen Heilsysteme ist in der Bevölkerung recht asymmetrisch. Das Wort Schulmedizin hat keinen allzu guten Ruf, steht es doch für eine kalte, gewinnorientierte und nebenwirkungsreiche Apparatemedizin, für die Patienten nur Nummern sind, die am Fließband abgefertigt werden. Schulmediziner gefährden das Leben ihrer Patienten, indem sie zu viele chemische Medikamente verschreiben, zu viel operieren und in der Behandlung zu viele Fehler machen – so die Einschätzung. Zu ihr gehört auch die Gewissheit, dass im Hintergrund Big Pharma die Fäden zieht, an denen kranke Menschen wie Marionetten manipuliert werden. Was an dieser Bewertung auch tatsächlich stimmen mag: die Schulmedizin hat ein Imageproblem. Das wird noch dadurch verstärkt, dass es scheinbar eine »bessere Alternative« zur Schulmedizin gibt: die Alternativmedizin.

Alternative und komplementärmedizinische Verfahren werden von der Mehrzahl der Bevölkerung in einem ganz anderen Licht gesehen. Ob Pflanzenheilkunde, Homöopathie, Anthroposophische Medizin, chinesische Medizin, Osteopathie oder Yoga: Sie alle gelten als ganzheitlich, sanft und frei von Nebenwirkungen. Hier nimmt man sich Zeit und kümmert sich auch um Geist und Seele der Patienten. Alternativmedizin kann selbst dann noch helfen, wenn die Schulmedizin versagt. Krasser könnte die gegensätzliche Einschätzung von Schul- und Alternativmedizin nicht sein. Doch diese unterschiedlichen Bilder sind eigentlich Karikaturen, holzschnittartig vereinfachte Darstellungen einer viel komplexeren Situation. Feder oder Pinsel führt dabei meist das Gefühl, nur bedingt der Verstand.

Die allermeisten, die die Schulmedizin kritisieren, sind froh, wenn sie bei einem medizinischen Notfall umfassend und kompromisslos schulmedizinisch versorgt werden. Unzählige Menschen verdanken der modernen Notfallmedizin ihr Leben. Dank hochentwickelter Medizintechnik können kaum mehr gehfähige Arthrosekranke sich wieder schmerzfrei bewegen, gewinnen Beinamputierte in den Sprintwettbewerben bei den Paralympics Goldmedaillen und werden Taube wieder hörfähig. Die deutliche Steigerung der Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten ist zu einem großen Teil den Leistungen der modernen Schulmedizin zu verdanken. Man muss schon ideologisch verblendet sein, um dies alles zu ignorieren – oder aber von der Schulmedizin traumatisiert.

Ja, Schulmedizin kann nicht nur heilen, sie kann auch Wunden schlagen, unblutige, da im Seelischen verborgene. Sie wurden nicht mit dem Skalpell gesetzt, sondern durch Empathiemangel, durch Verdinglichung der Person des Kranken, durch den Ersatz von ärztlicher Wertschätzung durch Pillen, Apparate und eine Fließbandtherapie auf höchstem wissenschaftlichem Niveau. All das begann, als man das Wort Heilkunst durch den Begriff der Heilkunde ersetzte, als das Heilen nicht mehr als eigentlich kreativer und zutiefst individueller Dienst des Menschen am Menschen verstanden wurde, sondern als rein rationale Wissenschaft, die man bedenkenlos den Naturwissenschaften zuordnen konnte. Menschen scheinen diese Verschiebung in der Zuordnung instinktiv wahrzunehmen, insbesondere, wenn sie zu Patienten geworden sind. Dann spüren sie, dass sich hier etwas Grundlegendes verändert hat, das der Medizin als Ganzes nicht guttut. Und dann gehen auch solche zum Handaufleger, die bisher alles Alternative in der Medizin als Scharlatanerie und Humbug verdammt haben. Inkognito und bei Nacht und Nebel, aber sie gehen. Denn Kranke suchen Heilung wie der Gebirgsbach das Tal.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Patienten bei Alternativmedizinern Linderung oder gar Heilung finden können, die ihnen die Schulmedizin nicht geben konnte. Das Vertrauen in medizinische Alternativen kann aber auch Gefahren mit sich bringen, dann nämlich, wenn es zu einer Glorifizierung dieser unkonventionellen Angebote führt – und zu einer unkritischen Hinwendung zu alternativen Heilverfahren, mit einer gleichzeitigen Abkehr von der Schulmedizin. In einer solch extremen Weise werden das sicher nur wenige Menschen tun,