1. Kapitel
Wer den jungen, blonden Cowboy beobachtet hätte, wäre ihm vermutlich sofort aus dem Weg gegangen. Mit finsterer Miene hing er im Sattel und schien seinem Pferd, einem Cayuse Horse, die Richtung überlassen zu haben. Diese Pferde wurden von den Cayuse-Indianern gezüchtet, die auf den Columbia Plateaus lebten und diese Rasse liebten. Den Weißen im Land galten diese Pferde jedoch wenig. Meinte man, abwertend über ein Pferd zu sprechen, so nannte man es ein Cayuse Horse oder schlichtIndianerpony.
Und genau das hatte einer der Cowboys zu Glenn gesagt, und der war zunächst über diese Bemerkung hinweggegangen. Aber dann ließ der Mann nicht locker, hänselte Glenn weiter und schaffte es schließlich, dass sich der große, etwas schlaksig wirkende Cowboy, auf ihn stürzte.
Es gab eine handfeste Schlägerei, der der Vormann jedoch rasch beendete, indem er beide Kontrahenten am Kragen packte und ihre Köpfe zusammenstieß. Als sie auf dem Boden hockten und sich ihre Schädel massierten, forderte ihn der Vormann auf, sofort mit ihm zum Rancher zu gehen.
»Was soll das, Roy? Eine Auseinandersetzung mit Männern geht nun einmal nicht immer nur mit Worten!«, rief einer der Männer, die dem Kampf zugesehen hatten.
»Es geht auch nicht um diesen Kampf!«, antwortete der Vormann gelassen und rückte seinen Revolvergurt zurecht. »Der Boss will Glenn sprechen. Er hat etwas über ihn erfahren, das ihm offenbar überhaupt nicht passt.«
»Als ob jemand interessieren würde, was der Boss erfährt!«, antwortete ein anderer aufsässig.
Die Stimmung auf der Straight I von Rancher Ali Ionu war schon seit Wochen auf dem Tiefpunkt angelangt. Jetzt würde möglicherweise ein Funken genügen, um hier eine kleine Revolution zu entzünden.
Vormann Roy Carteen war das wohl bekannt, und er kürzte jegliche weitere Diskussion ab, indem er Glenn anschnauzte: »Wird’s bald? Der Boss will nicht auf dich warten, vorwärts also!«
Die anderen Männer warteten lange auf Glenns Rückkehr, und als sie sahen, dass er einen kleinen Beutel mit seinen Habseligkeiten auf das Indianerpferd schnallte, wollten sie nicht glauben, dass Glenn Scott einfach so davonritt, ohne ein einziges Wort der Erklärung oder des Abschieds.
Das war vor gut zwei Stunden, und unterwegs hatte Glenn mehrfach seinen uralten Colt Paterson aus dem Holster gezogen und damit auf Bäume gezielt oder auch auf Steine. Abgefeuert hatte er ihn nicht, aber allein das Ziehen und wieder Einstecken des Revolvers schien ihn etwas zu beruhigen.
Am Ziel stieg er aus dem Sattel und band sein Pferd an.
Jetzt stand er da, schlaksig, die Schultern krumm. Seine hellblauen Augen waren missmutig auf die etwa vierzigjährige Frau gerichtet, und seine knochigen Hände hatte er mit den Daumen in seinen abgeschabten Gürtel gehakt.
Die Frostbeulen gaben ihm ein fürchterliches Aussehen; sein langes blondes Wuschelhaar machte es nicht besser. Die Kleidung wirkte ärmlich, zerschunden und verwaschen. Tatsächlich hätte er seit zwei Jahren dringend neue Hosen und eine neue Jacke gebraucht. Aber dazu reichte es nicht. So wurden sie immer wieder geflickt. Wieder und wiede