2. Kapitel
Der Winter im Nordosten Ohios ist endlos. Die Menschen sitzen die meiste Zeit in ihren Häusern und Wohnungen fest, zumal auch die Sonne oft wochenlang nicht zu sehen ist. Wenn dann die schonungslose Kälte und der viele Schnee endlich überstanden sind und das erste Grün die Felder färbt, brechen mit der Wucht einer Flutwelle die Frühlingsgefühle hervor.
Mein Name ist Kate Burkholder, und ich bin Chief of Police in Painters Mill, Ohio. Die hübsche Kleinstadt wurde 1815 gegründet, hat etwa fünftausenddreihundert Einwohner und liegt im Herzen des Amish Country. Ich bin als Amische geboren, aber anders als die meisten amischen Jugendlichen, habe ich die Glaubensgemeinde mit achtzehn Jahren verlassen und bin ins nahe gelegene Columbus gezogen. Dort habe ich die Hochschulreife erlangt, ein Diplom in Strafrecht gemacht und bin schließlich bei der Polizei gelandet. Nach einigen Jahren in der Großstadt hat es mich zurück zu meinen Wurzeln gezogen, und als der Stadtrat mir eine Stelle als Polizeichefin anbot, bin ich in meine Heimatstadt zurückgekehrt. Ich habe es nie bereut.
Heute Morgen plane ich, zusammen mit meinem Lebensgefährten John Tomasetti – er ist Agent beim Ohio Bureau of Criminal Investigation, kurzBCI – Reparaturen an unserer Scheune durchführen. Wir haben uns, kurz nachdem ich Polizeichefin geworden war, während der Ermittlungen in einem Mordfall kennengelernt und sind trotz eines holprigen Starts bald ein Paar geworden. Dass daraus tief empfundene Verbundenheit und eine dauerhafte Beziehung wurde, überraschte uns beide, und ich bin zum ersten Mal in meinem Erwachsenenleben vorbehaltlos glücklich.
Wir wollen einige Stellen der äußeren Scheunenverkleidung ausbessern, weshalb Tomasetti in einer Holzhandlung zwanzig Nut-und-Feder-Bretter und mehrere Liter Farbe gekauft hat. Während wir das Material aus dem Pick-up laden, picken und scharren ein Dutzend Buckeye-Hühner im Erdboden.
Auf unserer zweieinhalb Hektar großen Farm gibt es immer etwas zu tun. Das liegt hauptsächlich daran, dass wir das meiste selber machen, und wie so oft im Leben, lernt man nie aus. Wir hoffen, mit der Reparatur der Außenwände am nächsten Wochenende fertig zu werden. Das Wochenende darauf wollen wir alles grundieren und streichen. Und wenn das Wetter mitspielt, werden wir übernächstes Wochenende mit der Gartenarbeit beginnen.
»Ich hab gehört, du hast endlich jemanden für die Telefonzentrale gefunden«, sagt Tomasetti, während er die Bretter von der Ladefläche auf den Stapel am Boden zieht.
»Gestern hat sie angefangen«, sage ich. »Passt gut zu uns.«
»Mona ist sicher froh darüber.«
Bei dem Gedanken an Mona, meine frühere Telefonistin – und jetzt unser erster weiblicher Officer in Vollzeit –, muss ich lächeln. »Nicht nur sie«, sage ich. »Auch die Chefin wird jetzt hin und wieder einen Tag frei haben.«
Inzwischen steht er auf der Ladefläche, in jeder Hand einen knapp vier Liter schweren Farbeimer, und sieht auf mich herab. »Sie gefällt mir jetzt schon.«
Ich lasse das letzte Brett auf den Stapel fallen und sehe zu ihm hoch. »Hat dir schon mal jemand gesagt, wie gut du mit den Lederhandschuhen aussiehst?«, frage ich.
»Das höre ich andauernd«, sagt er.
Als er vom Wagen heruntersteigt, vibriert mein Handy an der Hüfte. Ich blicke aufs Display, auf dem die Nummer meines Reviers steht, und nehme ab. »Hi, Lois.«
»Chief.« Lois Monroe hat Frühschicht in der Telefonzentrale. Sie ist eine selbstbewusste Frau, Großmutter, Kreuzworträtsel-Ass und eine erfahrene Telefonistin. Ihre Stimme sagt mir, dass sie um Fassung ringt.
»Mona hat einen Anruf des Managers vom Willowdell-Motel entgegengenommen und gerade per Funk durchgegeben, dass in einem der Zimmer eine Leiche liegt.«
Sofort frage ich mich, ob es sich um einen natürlichen Tod handelt – einen Herzinfarkt oder unglücklichen Sturz – oder, was am schlimmsten wäre, um eine Überdosis. Denn das ist in letzter Zeit viel zu oft der Fall, selbst in einer kleinen Stadt wie Painters Mill.
»Wiss