: Titus Müller
: Die Jesuitin von Lissabon Roman
: Heyne
: 9783641223977
: 1
: CHF 8.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 512
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Antero Moreira de Mendonca hasst die Jesuiten. Als ein Erdbeben von biblischer Wucht 1755 Lissabon zerstört und die Jesuiten den Zorn Gottes predigen, sieht der junge Naturwissenschaftler die Gelegenheit gekommen, sich an dem Orden zu rächen. Doch Gabriel Malagrida, dem als Prophet verehrten Jesuitenführer, gelingt es, Antero ins Gefängnis zu bringen. Er soll hingerichtet werden. Seine einzige Chance, vielleicht noch mit dem Leben davonzukommen, ist die deutsche Kaufmannstochter Leonor. Tatsächlich hilft sie ihm. Doch sie ist, was Antero nicht weiß, ebenfalls eine Jesuitin...

Titus Müller, geboren 1977, studierte Literatur, Geschichtswissenschaften und Publizistik. Mit 21 Jahren gründete er die Literaturzeitschrift »Federwelt« und veröffentlichte seither mehr als ein Dutzend Romane. Er lebt mit seiner Familie in Landshut, ist Mitglied des PEN-Clubs und wurde u.a. mit dem C.S. Lewis-Preis und dem Homer-Preis ausgezeichnet. Seine Trilogie um »Die fremde Spionin« brachte ihn auf die SPIEGEL-Bestsellerliste und wird auch von Geheimdienstinsidern gelobt.

1

Das Meer wälzte Mauern aus Wasser auf. Sturmwinde heulten durch die finsteren Schluchten. Die Wellenkämme zerstiebten zu Gischt. Blitze verspritzten Helligkeit und wurden von der Nacht verschluckt.

Die englische DreimastbarkFortune trieb wie ein Hölzchen durch die Urgewalten. Der Sturm riss sie in die Höhe und wehte Schaum um ihren Bug, Wogen rollten sie von der Seite an, erbrachen sich über die Bark und begruben das Deck unter Tonnen von Meerwasser. Das Schiff neigte sich, es verharrte einen furchtbaren Augenblick. Endlich richtete es sich wieder auf und ließ das Wasser durch die Reling gurgeln. Donner krachte. Der Sturm stürzte die Bark hinunter in die Schwärze, als wollte er sie in den Meeresgrund bohren.

Captain Wrightson hatte sich am Steuerrad festgebunden. Er versuchte, die Bark gegen die Wellen zu drehen, während die nackten Masten knarrten. Seeleute schufteten an den Pumpen, nass glänzten ihre Gesichter.

Im Inneren des Schiffs kniete Antero Moreira de Mendonça vor seiner Koje, grub die Hände in den Strohsack und betete: »Lass mich nicht sterben! Lass mich nicht sterben, Gott! Noch nicht. Ich bin nicht so weit.« Das Wasser schwappte um seine Beine. Strümpfe und Hose waren vollgesogen mit Meerwasser.

Gegen die Schiffswand donnerten Wellen, es klang, als würden die Bretter zerbersten. Antero hatte einen süßlichen Geschmack im Mund. Er stand auf und wankte zur Leiter. Von den Sprossen troff Wasser. Er umfasste das nasse Holz und kletterte in die Höhe.

Die Klappe am oberen Ende der Leiter widerstand ihm, der Wind drückte sie von außen zu. Mit aller Kraft stemmte sich Antero dagegen, und es gelang ihm, sie um wenige Fingerbreit zu öffnen. Da riss ihm der Wind die Klappe aus der Hand. Mit einem Schlag stand die Luke offen, und es stürmte kalt und nass gegen seine Brust.

Er kletterte hinaus. Der Wind zerrte an ihm. Antero ließ sich auf Hände und Knie fallen und kroch zur Reling. Ein Seemann brüllte etwas, aber Antero konnte nur sehen, wie sich sein Mund bewegte, der Sturm riss ihm die Worte von den Lippen. Antero umfasste die Reling. Alles war schwarz. Wo endete der Himmel? Wo begann das Meer?

Ein Blitz erhellte die Umrisse der Wogen. Antero stockte das Herz. Die schwarzen Ungetüme überragten die Masten des Schiffs! Er spürte etwas seinen Hals emporschießen und erbrach sich.

Der Seemann löste das Seil, das ihn an einer der Pumpen gesichert hatte, und rannte gebückt auf Antero zu. Da überspülte eine Woge das Deck. Antero sah nichts mehr. Kalt fasste ihn das Meer an. Als er wieder sehen konnte, fanden seine Augen den Seemann. Er war umgerissen und gegen einen Mast geschleudert worden. Mühsam stand er wieder auf. Er erreichte Antero. »Gehen Sie unter Deck!«, brüllte er ihm ins Ohr. Er fasste ihn unter und versuchte, ihn von der Reling wegzuziehen. Widerstrebend ließ Antero das Holz los. Er wurde zurückgeschleppt und auf die Leiter gestoßen. Der Seemann schloss über ihm die Luke.

Seine Beine waren weich wie Brottei