: Christine Brand
: Blind Kriminalroman
: Blanvalet
: 9783641224714
: Milla Nova ermittelt
: 1
: CHF 8.80
:
: Spannung
: German
: 448
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Eine genial spannende Idee meisterhaft umgesetzt. Krimikunst vom Feinsten!« Sebastian Fitzek
Nathaniel hört einen Schrei, dann bricht die Verbindung ab. Gerade noch telefonierte er mit einer Frau. Eine anonyme App verband die beiden, die Frau half Nathaniel dabei, das richtige Hemd zu wählen. Denn Nathaniel ist blind, doch der Schrei klang eindeutig. Was, wenn der Frau etwas angetan wurde? Er ist sich sicher: Es muss ein Verbrechen sein. Doch keiner glaubt ihm, es gibt keine Beweise, keine Spur. Gemeinsam mit einer Freundin, der Journalistin Milla, macht sich Nathaniel selbst auf die Suche nach der Wahrheit. Er ahnt nicht, dass er für die fremde Frau die einzige Chance sein könnte - oder ihr Untergang ...

Die unabhängig voneinander lesbaren Krimis um Milla Nova und Sandro Bandini bei Blanvalet:

1. Blind

2. Die Patientin

3. Der Bruder

4. Der Unbekannte

5. Der Feind

Lesen Sie auch »Wahre Verbrechen»: Christine Brand schreibt über ihre dramatischsten Fälle als Gerichtsreporterin.

Christine Brand, geboren und aufgewachsen im Emmental in der Schweiz, arbeitete als Redakteurin bei der »Neuen Zürcher Zeitung«, als Reporterin beim Schweizer Fernsehen und als Gerichtsreporterin. Im Gerichtssaal und durch Recherchen und Reportagen über die Polizeiarbeit erhielt sie Einblick in die Welt der Justiz und der Kriminologie. Neben der erfolgreichen Milla-Nova-Reihe erscheinen bei Blanvalet auch ihre True-Crime-Titel »Wahre Verbrechen« über Kriminalfälle, die sie als Gerichtsreporterin begleitete. Christine Brand lebt in Zürich und auf Sansibar.

3


Vanessa wartet bereits, als Carole kurz nach halb sieben am unteren Ende der Berner Altstadt ankommt. Sie lehnt an einer Laubensäule und tippt auf ihrem Handy herum. Carole hält einen Moment inne und studiert die konzentrierten Gesichtszüge ihrer Freundin. Erinnerungen blitzen auf. Dann stupst sie mit dem Fuß gegen Vanessas Zehen. Erschrocken blickt sie auf.

»Danke, dass du draußen wartest, drinnen hätte ich dich nicht gefunden.«

Die zwei Frauen umarmen sich und müssen lachen, weil ihnen Caroles Bauch in die Quere kommt.

»Himmel, bist du rund geworden. Wer hätte gedacht, dass du jemals in Umständen bist. Ich hätte auf alle anderen gewettet, aber niemals auf dich.«

Carole pufft ihre Freundin sanft gegen die Schulter. »Ich doch auch nicht!«

»Ist da drin alles in Ordnung?«

»Alles so, wie es sein soll. Aber ich sag’s dir: Schwanger sein ist gar nicht lustig. Geschwollene Füße, Atemnot nach dem Treppensteigen, Hitzewallungen, als wäre ich mitten in den Wechseljahren – mit dreiunddreißig … Und mein Busen! Kürzlich sah ich Bilder von überzüchteten Milchkühen im Fernsehen – ihre prallvollen Euter haben mich total an meine Brüste erinnert. Du würdest sie nicht wiedererkennen!« Carole deutet mit beiden Zeigefingern auf ihren Vorbau, der unerwartete Dimensionen angenommen hat. »Glaub mir, ich gäbe meine Gucci-Tasche, könnte ich endlich wieder mal joggen gehen. Und würde mich der kleine Kerl in der Nacht nicht immer mit seinem Strampeln wach halten. Ich glaube, er übt schon jetzt für eine Kickbox-Weltmeisterschaft in siebzehn Jahren.«

»Das mit dem Joggen wird schon wieder. Und um die Kickbox-Karriere deines Kleinen kümmern wir uns später. Jetzt gehen wir erst mal essen.«

Vanessa stößt die Tür auf. Kaum stehen die beiden Frauen im Restaurant, umgibt sie nachtdunkles Schwarz. »Blinde Kuh« heißt das Lokal. Wer hier isst, soll sich wie ein Blinder fühlen, sodass die geschärften Geschmackssinne für einen kulinarischen Höhenflug sorgen. Erlebnisgastronomie nennt sich das. Das Restaurant Blinde Kuh gehört zu einer Kette, die diese Filiale in Berns Altstadt erst vor Kurzem eröffnet hat. Grund genug, sie gleich zu testen, hat Carole sich gedacht. Doch jetzt ist sie nicht mehr sicher, ob das eine gute Idee war. Denn dieser erste Moment besteht aus nichts als Unsicherheit. Instinktiv tastet Carole nach irgendetwas, an dem sie sich festhalten kann. Sie stößt mit ihrer Hand auf etwas, das sich bewegt. Erschrocken zuckt Carole zurück.

»Sie haben reserviert?«, fragt eine freundliche Stimme. Die Frau muss direkt vor ihnen stehen. Carole hat auf der Website des Restaurants gelesen, dass die meisten Angestellten blind seien; sie haben sozusagen Heimvorteil.

»Stein, ich habe auf den Namen Stein reserviert.«

»Herzlich willkommen«, verkündet die Stimme. »Ich nehme Sie beide jetzt an den Händen und bringe Sie an Ihren Tisch.«

Carole tapst durch die Finsternis und fühlt sich schutzlos. Doch dann führt die Kellnerin ihre Hände an die Stuhllehne und hilft ihr, sich zu setzen. Sitzen fühlt sich gut an. Sicherer Halt. Vorsichtig tastet Carole nach dem Besteck. Messer, Gabel, Löffel, ein Glas, alles da. Wenn das nur gut geht.

Es geht gut, mehr oder weniger. Schon nach fünfzehn Minuten ist Carole froh, dass sie das Tischtuch nicht sehen kann. Sie hat bestimmt schon für etliche Kleckse gesorgt. Wie unbeholfen man sich anstellt, wenn man auf den wichtigsten seiner Sinne verzichten muss. Und wie schwierig es sein muss, ein Leben lang mit einer solchen Behinderung zurechtzukommen. Kurz blitzt die Angst in ihr auf: Hoffentlich ist der Kleine gesund.

»So, wie dein Bauch aussieht, kann der Kleine jederzeit herausploppen«, unterbricht Vanessa ihre Gedanken.

»So ist es auch. Die Ärztin sagt, er könne von nun an jeden Moment kommen.«

»Na dann hoffe ich, dass er sich noch ei