: Jean-Luc Bannalec
: Bretonische Idylle Kommissar Dupins zehnter Fall
: Verlag Kiepenheuer& Witsch GmbH
: 9783462320831
: Kommissar Dupin ermittelt
: 1
: CHF 5.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Malerische Abgründe - Kommissar Dupin ermittelt in seinem zehnten Fall auf der traumhaften Belle-Île. Die Hitzewelle hat in diesem August sogar die Bretagne fest im Griff. Keine Aussicht auf Abkühlung für Kommissar Dupin. Und zu allem Überfluss planen die Kollegen auch noch die große Feier seines zehnjährigen Dienstjubiläums. Doch dann wird eines Morgens an der Küste bei Concarneau ein Toter aus dem Meer gefischt, ein Schafzüchter von der legendären Belle-Île. Und ehe Dupin sich's versieht, befindet er sich an Bord eines Schnellbootes auf dem Weg zur »schönsten Insel der Welt«, wo er schon bald auf tiefste menschliche Abgründe stößt ... »[Eine] unterhaltsame Lektüre - auch für Daheimgebliebene, die sich die Meeresbrise und den würzigen Thymian- und Kiefernduft der Insel auf den heimischen Balkon holen wollen.« Kulturtipp Schweiz

Jean-Luc Bannalec ist der Künstlername von Jörg Bong. Er ist in Frankfurt am Main und im südlichen Finistère zu Hause. Die Krimireihe mit Kommissar Dupin wurde für das Fernsehen verfilmt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2016 wurde der Autor von der Region Bretagne mit dem Titel »Mécène de Bretagne« ausgezeichnet. Seit 2018 ist er Ehrenmitglied der Académie littéraire de Bretagne. Zuletzt erhielt er den Preis der Buchmesse HomBuch für die deutsch-französischen Beziehungen.
Inhaltsverzeichnis

Der zweite Tag


Nicht einer, nein, alle.

Alle setzten ihm nach, waren hinter ihm her. Menhire. Hunderte meterhohe Steinmonster, lebendig, schnell, wendig. Mit einem einzigen Ziel: Sie trachteten nach seinem Leben. Er hatte sich eines Verbrechens schuldig gemacht, er hatte nicht an sie geglaubt. Und es war die Wahrheit, ihre Anschuldigungen waren ganz und gar gerechtfertigt.

Sie hatten ihn eingekreist. Von allen Seiten der Insel waren sie aufgebrochen, vorgerückt, er hatte zu entkommen versucht, doch überall war wieder einer aufgetaucht. Oder eine.Jeans undJeannes. Sie hatten den Kreis enger und enger gezogen. Nun gaben sie eine Art tiefes Blöken von sich. Markerschütternd. Und allein schon eine Folter.

Es gab kein Entrinnen. Auch keinen Kampf. Keine Tricks. Keine Superkräfte. Nur das Zerquetschtwerden. Ein übernatürlicher Chor hob an, er war deutlich zu verstehen: »Wir sind es, dieAcadiens, dieAcadiens, dieAcadiens …«, in endloser Wiederholung. Ein existenzieller Schauder überlief ihn. Bald spürte er die Kälte und Härte des nackten Gesteins an seinen Armen, die er schützend um sich geschlungen hatte. Es ging unausweichlich dem Ende zu, als plötzlich ein sphärisches, ja kosmisches Brummen einsetzte. Und siehe da: Die Steine verharrten und verstummten, um sich dann mit einem Mal zurückzuziehen und ihn freizugeben. Im nächsten Moment waren sie verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Nur das tiefe, eigentümliche Brummen blieb. Und wurde noch lauter. Dupin hielt sich die Ohren zu, mit aller Kraft, immer verzweifelter.

Dann wachte er auf.

Es dauerte einen Augenblick, ehe Dupin die grundlegenden Aspekte der Realität sortiert bekam. Was vor allem hieß: das Brummen. Denn es brummte weiter. Und entstammte, wie er langsam begriff, der diesseitigen Wirklichkeit. Es war ein Schiff, eindeutig. Ein großes Schiff.

Das Brummen hatte ihn geweckt. Gerettet.

Er setzte sich auf und blickte aus dem Fenster. Noch war es dunkel, aber schon nicht mehr tiefe Nacht, ein allererstes, zaghaftes Dämmern hatte im Osten eingesetzt. Über dem Horizont. Ein Vordämmern. Das Licht schlich sich ein. Ein silbriges Licht, das jetzt mehr und mehr den Himmel übernahm.

Dupin warf einen Blick auf seine Uhr: 6 Uhr 17. Zu spät, um noch weiterzuschlafen. Er würde duschen und aufbrechen. Und, wie geplant, etwas Zeit für sich haben.

Um 6 Uhr 55 betrat er dasTilleul.

Er gab seine Bestellung an der Theke auf: zweipetits cafés, zwei Croissants. Es war ein einfaches, nettes Café, die Fassade himmelblau gestrichen, eine Terrasse auf dem Platz vor der Dorfkirche, mit Blick auf die Bucht und den Hafen. Die Terrasse war noch verwaist, nur drinnen saßen schon ein paar Gestalten, Hafenarbeiter, wie es aussah. Der ganze Ort war wie leer gefegt, das Leben hatte noch nicht begonnen. Bis auf die Geräusche, die aus der Bar drangen, und die Schreie der koketten Möwen über dem Hafenbecken, herrschte vollkommene Ruhe. Die Ruhe, die es nur am Meer gab, das allen unwesentlichen Lärm großzügig verschluckte. Dupin mochte die besondere Stimmung des frühen Morgens, die Welt im Erwachen.

»Voilà.«

Ein junger, übernächtigt aussehender Mann in einem weißen T-Shirt stellte diecafés<