1. Kapitel
Anderen Menschen auf den Wecker zu fallen war etwas, das Wynn Beauchene durchaus manchmal tat. Vor allem weil die meisten Menschen es verdient hatten, dass man immer wieder hartnäckig nachfragte. Aber sich selbst nerven? Was sollte das? Das war nicht nur totale Zeitverschwendung, sondern ergab auch keinen Sinn. Die einzige Lösung bestand darin, sich nicht weiter wie eine Sechzehnjährige zu verhalten, die in den Quarterback verschossen ist. Immerhin war sie eine erwachsene, alleinerziehende Mutter mit einer erfolgreichen Firma und dem Leben, das sie wirklich mochte. Wenn sie sich von dem attraktiven Nachbarn angezogen fühlte, musste sie eben aufhören, am vorderen Fenster ihres Hauses herumzulungern in der Hoffnung, einen Blick auf ihn zu erhaschen. Stattdessen sollte sie einfach zu ihm hinübergehen, an seine Tür klopfen und sagen … und sagen …
»Ich bin eine Idiotin«, murmelte sie nicht zum ersten Mal laut vor sich hin. Egal wie sie sich das Szenario auch vorstellte, sie blieb immer an der Stelle hängen, was sie sagen sollte, wenn er die Tür öffnete.
Hi, Garrick, ich habe mich gefragt, ob, äh, du und ich, also, ob wir mal, du weißt schon, zusammen ausgehen sollten oder so.
Wirklich? So wollte sie das Gespräch eröffnen? Wäre nicht irgendeine Einleitung angebracht? Vielleicht könnte sie erwähnen, wie angenehm sie es fand, dass er seit einem Jahr ihr Nachbar und obendrein Polizist war. Auch könnte sie sagen, wie froh die ganze Straße darüber war, dass er seinen Streifenwagen in der Auffahrt zu seinem Haus parkte. Verbrechen waren in Happily Inc zwar kein Problem, aber trotzdem. Einen Cop als Nachbarn zu haben war super. Ihr Interesse an ihm war allerdings eher persönlicher Natur, vor allem seit sie gesehen hatte, wie er im Sommer seinen Rasen gemäht hatte … ohne T-Shirt. Nicht dass er ihr davor nicht auch schon aufgefallen wäre. Doch bis zu dieser Rasenmähaktion hatte sie es geschafft, ihn zu ignorieren. Das konnte sie nun nicht mehr, dabei war es bereits November, und sie hatte immer noch nichts unternommen, um ihre nicht vorhandene Beziehung über das Stadium des lässigen Zuwinkens und »Hi«-Sagens hinauszubefördern. Nichts, außer um ihr Fenster herumzustreichen. Wofür sie sich selbst ohrfeigen könnte.
Es lag grundsätzlich am Daten. Darin war sie nicht gut, weil sie es nicht oft tat. Wofür es außerdem viele Gründe gab, von denen nur wenige wirklich interessant waren. In den letzten fünf bis sechs Monaten hatte sie ab und zu überlegt, dass es vielleicht an der Zeit sein könnte, die »Keine Dates«-Regel über den Haufen zu werfen und sich ein Privatleben zuzulegen. Doch auch wenn sie viel Zeit mit Nachdenken verbracht hatte, war sie bislang nicht aktiv geworden.
»Ich kann das«, murmelte sie und ignorierte die leise Stimme in ihrem Kopf, die ihr zuflüsterte, dass sie es offensichtlich doch nicht konnte.
Es war seltsam. In allen anderen Bereichen ihres Lebens war sie so kompetent. Wenn Hunter, ihr vierzehnjähriger Sohn, Probleme in der Schule machte, konnte sie wunderbar damit umgehen. Ein Druckauftrag in der Firma lief schief? Keine große Sache. Eine Freundin hatte eine emotionale Krise? Wynn war sofort mit Umarmungen und klaren Worten zur Stelle. Aber wenn es ums Daten ging … oder darum, mit einem bestimmten Mann ausgehen zu wollen … oder um die Erkenntnis, dass sie Garrick sexy fand und er wahnsinnig gut mit ihrem Sohn umgehen konnte und sie in letzter Zeit oft den Wunsch verspürt hatte, dass die beiden einande