: Craig Foster, Ross Frylinck
: Sea Change - Eindrücke einer bedrohten Schönheit Von den Machern der Oscar-prämierten Netflix-Doku 'Mein Lehrer, der Krake' - Mit einer Einführung von Jane Goodall
: Mosaik bei Goldmann
: 9783641286187
: 1
: CHF 13.60
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: Naturwissenschaft
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wenn Craig Foster ausgebrannt ist, tut er das, was er als Kind schon getan hat: Er schwimmt und taucht vor der Küste Südafrikas - ohne Tauchausrüstung, tief in den Unterwasserwäldern des Atlantiks. Bei seinen Ausflügen beginnt er, den Wald zu kartografieren und stößt auf eine Oktopusdame, die ihn mindestens so spannend findet, wie er sie. Von ihr lernt Foster nicht nur viel über Oktopusse und das fragile Ökosystem des Tangwalds, er lernt auch sehr viel über sich. In »Sea Change« zeigen uns Foster und sein Tauchfreund Ross Frylinck, weshalb es unser aller Rettung sein kann, wieder in eine echte Verbindung zur Natur zu treten. »Sea Change« beeindruckt mit atemberaubenden Bildern und klugen Texten über das Ökosystem unter Wasser, dessen Gesundheit unsere Rolle auf diesem Planeten bestimmt.

Craig Fosterist Filmschaffender und begeisterter Naturforscher. Seine Filme sind vielfach preisgekrönt, zuletzt gewann »Mein Lehrer, der Krake« den Oscar 2021 als beste Dokumentation. Seit acht Jahren schwimmt er täglich im Tangwald vor der Küste Kapstadts und erforscht den Wald und seine Bewohner.

Am Kap der Guten Hoffnung, auch Sturmkap genannt, an der Küste Südafrikas fegte ein eisiger Wind über den Indischen Ozean. Er wehte so stark, dass Möwen von ihren Sitzwarten in den Felsen fortgerissen wurden. Ich stand in meiner Badehose am Ufer und schaute den Vögeln zu, wie sie ihre feingliedrigen grauen Flügel aufspannten und sich vom Luftstrom tragen ließen, um sich anschließend wieder mühelos niederzulassen und ihre Köpfe im Gefieder zu vergraben.

Etwa einen Meter vor mir stand Craig Foster knietief im tosenden Meer. Er kniff die Augen zusammen, spuckte in seine Tauchermaske und spülte sie im flachen Meerwasser aus. Das Glas seiner Maske sei auf seine Brillenstärke geschliffen, erklärte er mir – ohne könne er kaum sehen. Bei einem 1,90 Meter großen Mann markierte diese Schwäche einen frappierenden Kontrast zu seiner imposanten Statur. Unterstrichen wurde diese Verletzlichkeit von einer langen Operationsnarbe auf der linken Schulter. Die Verletzung, dachte ich mir, hatte er sich wohl beim Rugby zugezogen. Er musste etwa Mitte vierzig sein.

Draußen auf See braute sich am Horizont eine bedrohliche Bank von Sturmwolken zusammen. Die ersten Regentropfen spürte ich wie Nadelstiche auf meiner Haut; die feinen Härchen auf meinem Unterarm hatten sich aufgerichtet. Ein Schmerz durchzuckte meine Füße, und ich wurde mir mit einem jähen Anflug von schlechtem Gewissen bewusst, dass ich auf einem Bett scharfer kleiner Muscheln stand. Ich verlagerte mein Gewicht in der Hoffnung, sie nicht zu zerquetschen.

Was wollte ich denn überhaupt hier, fragte ich mich. Ich kannte diesen Typen doch kaum, aber hier stand ich nun mitten im Winter und war kurz davor, mit ihm in einen eiskalten Unterwasserwald abzutauchen, um nach Haien Ausschau zu halten. Am schlimmsten aber war, dass er darauf bestanden hatte, dass wir ohne Neoprenanzug tauchen. Ich fror schon jetzt, obwohl ich noch gar nicht ins Wasser gestiegen war. Dabei war ich den größten Teil meines Lebens in den eisigen Gewässern vor Kapstadt geschwommen, hatte dort gesurft und getaucht. Die Kälte war mir also keineswegs fremd, doch hielt ich stets meinen Körper einschließlich Kopf, Hände und Füße bedeckt, sodass nur Augen und Nase herausschauten. Ich hasste die Kälte, und auch auf Haie war ich nicht gerade scharf. Als Surfer wusste ich nur zu gut, dass Haie eine ständige Bedrohung darstellten; in diesen Gewässern verging kein Jahr ohne eine Attacke auf einen Menschen.

Craigs Schaffen als Naturfilmer war mir bekannt, und unsere Pfade hatten sich im Laufe der Jahre ab und zu gekreuzt. Dann trafen wir uns zufällig am Rande eines Filmfestivals. Inmitten des Gedränges im Kinosaal plauderten wir ein wenig, wobei Craig erwähnte, dass er jeden Tag allein in einem Kelpwald in der False Bay tauchen gehe. Es wunderte mich, dass jemand daran Gefallen fand, Tag für Tag alleine in eiskalten Unterwasserwäldern herumzutauchen. Ich konnte es überhaupt nicht nachvollziehen, doch gerade das stachelte nun meine Neugierde an.

Als ich ihn fragte, warum er dies tue, sah er mich seltsam durchdringend an. Er glaube, erklärte er mir, den »Ruf des Kelpwaldes« vernommen zu haben. Die Menschenmenge um uns herum löste sich allmählich auf, und in der anschließenden Stille fiel mir keine passende Erwiderung ein. Mit einem Gefühl der Verlegenheit blickte ich in Craigs blaue Augen und war erleichtert, als er das gespannte Schweigen mit einer Einladung zum Schwimmen durchbrach. Da mir immer noch nichts Besseres einfiel, willigte ich ein, und wir verabredeten uns.

Nun stand ich auf diesen Felsen und bereute meinen Entschluss, doch es gab