: Christine Brand
: Der Bruder Kriminalroman
: Blanvalet
: 9783641263669
: Milla Nova ermittelt
: 1
: CHF 8.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 544
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Eine bewegende Story mit immenser Sogwirkung! Krimispannung auf höchstem Niveau. Brillant!« Romy Fölck
Irena Jundts Vater ist tot. Um das Elternhaus zu räumen, muss die Rechtsmedizinerin der Berner Kripo zurück in das abgelegene Bergdorf ihrer Kindheit. Eine Kindheit, die mit dem Verschwinden ihres Bruders abrupt endete. Damals wurde ein brutaler Kindermörder für Benis Tod verurteilt. Doch bei ihrer Rückkehr erkennt Irena, dass irgendetwas an der Geschichte nicht stimmt, und die Dorfbewohner etwas verbergen. Wenig später wird in Bern ein kleiner Junge vermisst gemeldet - Sandro Bandini, Chef der Abteilung Leib und Leben bei der Berner Polizei, beginnt mit Hochdruck zu ermitteln und auch seine Freundin, Journalistin Milla, versucht mit gewohnt unkonventionellen Mitteln die Spur des Kindes zu verfolgen. Noch ahnt niemand, welche Kreise der Fall ziehen wird - und dass die Vergangenheit noch immer dunkle Schatten in die Gegenwart wirft ...

Die unabhängig voneinander lesbaren Krimis um Milla Nova und Sandro Bandini bei Blanvalet:

1. Blind

2. Die Patientin

3. Der Bruder

4. Der Unbekannte

5. Der Feind

Lesen Sie auch »Wahre Verbrechen»: Christine Brand schreibt über ihre dramatischsten Fälle als Gerichtsreporterin.

Christine Brand, geboren und aufgewachsen im Emmental in der Schweiz, arbeitete als Redakteurin bei der »Neuen Zürcher Zeitung«, als Reporterin beim Schweizer Fernsehen und als Gerichtsreporterin. Im Gerichtssaal und durch Recherchen und Reportagen über die Polizeiarbeit erhielt sie Einblick in die Welt der Justiz und der Kriminologie. Neben der erfolgreichen Milla-Nova-Reihe erscheinen bei Blanvalet auch ihre True-Crime-Titel »Wahre Verbrechen« über Kriminalfälle, die sie als Gerichtsreporterin begleitete. Christine Brand lebt in Zürich und auf Sansibar.

4


»Sitzt auch alles richtig?«

»Ja-haaaa!«, sagt Silas, ohne von seinem Dominik-Dachs-Büchlein aufzublicken. Nathaniel hat die Frage bestimmt schon sechs Mal gestellt. Zwei Mal hat Silas gewissenhaft geprüft, ob Nathaniels Hemd korrekt zugeknöpft ist, ob es überall und regelmäßig in der Hose steckt, ob deren Reißverschluss ganz zu ist. Doch beim dritten Mal hat Silas beschlossen, dass man sich entscheiden muss im Leben, weil man nicht zwei Dinge gleichzeitig tun kann. Er hat sich für Dominik Dachs entschieden. Nathaniels immergleiche Frage ist langweilig. Nicht nur Nathaniel führt sich heute eigenartig auf, auch Alisha streift in der Wohnung herum, als würde sie ein gut verstecktes Wursträdchen suchen, und die Mama hat sich seit etwa einer Stunde im Badezimmer eingeschlossen. Erwachsene sind komisch. Und Hunde ebenso.

»Du musst nicht nervös sein«, sagt Nathaniel zu Silas.

»Mmh.«

»Es ist eigentlich keine große Angelegenheit.«

»Mmh.«

»In fünfzehn Minuten wird alles vorbei sein.«

Enttäuscht klappt Silas das Büchlein zu. Dominik Dachs muss warten, Nathaniel will reden.

»Ich bin nicht nervös«, sagt Silas. »Was macht Mama so lange?«

»Sie macht sich schön.«

»Ist Mama nervös?«

»Ich glaube schon.«

»Bist du nervös?«

»Vielleicht ein bisschen.« Schon wieder tastet Nathaniel seinen Hemdkragen ab, um sicherzugehen, dass er gerade sitzt.

»Warum bist du nervös, wenn es in fünfzehn Minuten vorbei ist?«

Ja, warum eigentlich?, fragt sich Nathaniel selbst. Zumal es reine Formsache ist, dass er sich heute trauen lässt. Mit einer Frau, die der beste Mensch ist, der ihm jemals begegnet ist, die er aber nicht liebt, weil er sie nicht lieben darf, weil er weiß, dass sie ihn niemals lieben wird. Es ist kompliziert, wie so oft im Leben, vor allem wenn es um die Liebe geht. Aber wäre das Leben wirklich besser, wenn es weniger kompliziert wäre? Nathaniel glaubt nicht, dass er die Welt mögen würde, in der alles einfach wäre, in der sich keine neuen Herausforderungen stellten und alles immer beim Alten bliebe. Der Mensch ist geschaffen dafür, sich mit Schwierigkeiten auseinandersetzen zu müssen – und wenn es gerade mal keine gibt, schafft er sie sich selbst.

Es ist, wie es ist, denkt Nathaniel. Und manche Dinge lassen sich nicht ändern. Wie zum Beispiel die sexuelle Ausrichtung eines Menschen. Carole steht nun mal nicht auf Männer, auch wenn sich Nathaniel wünschte, dass es anders wäre. Gleichzeitig ist er sich sicher, dass – wenn sie auf Männer stehen würde – Carole sich kaum für einen Mann wie ihn entschieden hätte. Einen Blinden.

Die Umstände machen es erforderlich, dass er sie trotzdem heiratet. Weil Carole als alleinstehende, arbeitende Frau, noch dazu Lesbe, sonst nahezu keine Chance gehabt hätte, das Sorgerecht für ihren Sohn Silas zurückzuerhalten. Die Pflegeeltern des Kleinen, bei denen er seine ersten vier Lebensjahre verbracht hat, haben mit allen Mitteln darum gekämpft, den Jungen behalten zu können, obwohl Silas sich für seine leibliche Mutter entschieden hat. Nur werden Kinder in diesem Alter noch nicht nach ihrer Meinung gefragt. Wenn es um das angebliche Wohl eines Kindes geht, sprechen die Behörden eine eigene Sprache, beeinflusst durch ein starres Paragrafenwerk und gut bezahlte Advokaten.

Darum müssen Carole und Silas und Nathaniel auch auf dem Papier eine richtige Familie werden, obwohl sie genau das in gewisser Weise längst sind. Vor Kurzem sind sie in ei