Kapitel 1
Für ein paar Minuten blieb Saz, wo er war – im dunklen Innenraum seines verbeulten Toyotas. Er starrte zu der Rowdy-Bar auf der anderen Straßenseite hinüber. Hier war es. Es war an der Zeit für ihn, sich von seinem alten Leben zu verabschieden und sein neues willkommen zu heißen. Nachdem er die letzten Kisten in seine neue Wohnung verfrachtet hatte, hatte er beschlossen, sich in dieser Bar, an der er auf dem Weg zu seinem Wohngebäude vorbeigekommen war, ein Bier zu holen.
DasHowling Wolf war ein zweistöckiges Gebäude und schien die raueren Gesellen der Stadt zu bedienen. Saz überlegte, ob er aussteigen oder nach etwas anderem suchen sollte. Er war sich sicher, dass zwei Autos weiter ein Pärchen Sex hatte. Eine Gruppe Biker stand draußen vor der Bar, sie rauchten und lachten miteinander.
Saz’ Wolf verriet ihm, dass nicht nur Menschen die Bar besuchten. Dort waren auch Übernatürliche, dominante Wandler, die einen Omegawolf wie Saz als leichte Beute ansehen würden. Er schüttelte den Kopf, als er bemerkte, dass er das Lenkrad so fest umklammerte, dass seine Fingerknöchel weiß wurden.
„Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um mit eingezogener Rute wegzulaufen“, murmelte er. Je länger er das rote Leuchtschild anstarrte, desto mehr schwand ihm der Mut. Saz wollte das hier doch, oder nicht? Eigenständigkeit bedeutete, dass er sich nicht mehr auf einen Bastard von einem Gefährten stützen musste, der glaubte, dass alle Omegas zu Hause bleiben und Kinder austragen sollten. Das einzige Problem war, dass Saz gar nichts davon verstand, alleine klarzukommen. Das Rudel, in dem er aufgewachsen war, lebte auf einem abgeschiedenen Gelände, abgeschnitten von Menschen und anderen Übernatürlichen.
Es klang traurig, aber Saz wusste nicht viel über den Rest der Welt.
„Atme ein und aus“, murmelte er zu sich selbst.
Seine Brust hob und senkte sich. Saz zählte stumm bis zehn. Er war seit genau drei Tagen auf sich gestellt und hatte bereits gelernt, dass es besser war, sich kopfüber in neue Erfahrungen hineinzustürzen.
Er würde das schaffen. Auch andere Wölfe hatten das Rudel verlassen, um es auf eigene Faust zu versuchen. Doch keine von ihnen waren Omegas gewesen. Thad, sein zukünftiger Gefährte und der Bastard, vor dem er davonrannte, hatte ihm gerne Schreckensgeschichten erzählt. In Thads Geschichten gerieten die Omegas immer in irgendeine furchtbare Situation. Sie wurden benutzt. Manche endeten irgendwo tot im Graben.
Er war sich ziemlich sicher, dass Thad ihm nur Lügen aufgetischt hatte, um ihm Angst einzujagen, doch an diesen Erzählungen musste etwas dran sein.
Jedenfalls würde nichts geschehen, wenn Saz es nicht einmal versuchte. Jede normale Person könnte in eine Bar wie dasHowling Wolf spazieren und eine schöne Zeit haben. Vielleicht würde sogar irgendein gut aussehender Muskelprotz beschließen, sich neben ihn zu setzen, ihm ein Bier auszugeben und eine interessante Unterhaltung anzufangen.
Saz hatte schon immer wissen wollen, wie es war, auf ein normales Date zu gehen. Der Bund mit Thad war von seinen Eltern arrangiert worden. Die Omegas in seinem Rudel wurden verpaart, sobald sie geboren wurden, um den Fortbestand der Blutlinie zu sichern. Vergiss die Liebe, hatte seine Mutter gesagt. Liebe war für die Schwachen, die Größenwahnsinnigen.
Wegzulaufen war eine der besten Entscheidungen seines Lebens gewesen, auch wenn seine Eltern nie wieder mit ihm reden würden. Dass er das Arrangement mit Thad abgebrochen hatte, wurde im Rudel als Sakrileg angesehen. Es spielte keine Rolle. Saz hatte sich noch nie so frei gefühlt. Thad sollte sich einen anderen Omega suchen, den er herumkommandieren und misshandeln konnte.
Saz schaute wieder zur Bar hinüber und fällte einen Entschluss. Er stellte den Motor ab und stieg aus dem Auto. In dem Moment, in dem er das Lokal betrat, wuss