ZWEI
Der Experte im Hipster-Outfit sagte: »Den Typen sollte man einfach in den Knast stecken.«
Hester Crimstein war live auf Sendung und wollte gerade zum verbalen Gegenschlag ansetzen, als ihr am Rand ihres Blickfelds jemand ins Auge fiel, der wie ihr Enkel aussah. Gegen das Studio-Scheinwerferlicht war die Person nur schwer auszumachen, aber sie sah aus wie Matthew.
»Das sind aber starke Worte«, sagte der Moderator, ein ehemals charmanter Schönling, dessen Diskussionstechnik in erster Linie darin bestand, einen verblüfften Gesichtsausdruck aufzusetzen und beizubehalten, als wären seine Gäste Idioten, ganz egal, ob ihre Argumente Sinn ergaben oder nicht. »Was sagen Sie dazu, Hester?«
Matthews Erscheinen – er musste es sein – hatte sie aus dem Konzept gebracht.
»Hester?«
Kein guter Zeitpunkt, die Gedanken schweifen zu lassen, ermahnte sie sich. Konzentrier dich.
»Sie sind abscheulich«, sagte Hester.
»Wie bitte?«
»Sie haben mich schon verstanden.« Sie richtete ihren berüchtigten, vernichtenden Blick auf den Hipster-Experten. »Abscheulich.«
Was will Matthew hier?
Ihr Enkel hatte sie noch nie ohne Vorankündigung während der Arbeit besucht – weder im Büro noch in einem Gerichtssaal oder im Studio.
»Würden Sie das bitte erklären?«, fragte der Moderatoren-Schönling.
»Aber klar doch«, sagte Hester und sah den Hipster-Experten weiter mit einem feurigen Blick an. »Sie hassen Amerika.«
»Wie bitte?«
»Mal ehrlich«, fuhr Hester fort und warf ihre Hände in die Luft, »wozu haben wir überhaupt ein Gerichtswesen? Wer braucht denn so etwas? Schließlich haben wir doch die öffentliche Meinung, oder? Kein Prozess, keine Jury, kein Richter – lassen wir doch einfach die Twitter-Meute entscheiden.«
Der Hipster-Experte setzte sich etwas aufrechter hin. »Das habe ich nicht gesagt.«
»Doch, genau das haben Sie gesagt.«
»Es gibt Beweise, Hester. Ein sehr eindeutiges Video.«
»Oho, ein Video.« Sie wackelte mit den Fingern, als sprächen sie über einen Geist. »Also noch einmal: Da braucht es keinen Richter und keine Jury. Das erledigen Sie schon, als gütiger Anführer der Twitter-Meute …«
»Ich bin nicht …«
»Pst! Jetzt rede ich. Oh, Entschuldigung, ich glaube, ich habe Ihren Namen vergessen. Insgeheim nenne ich Sie den Hipster-Experten, aber ich kann Sie ja auch einfach Chad nennen?« Er öffnete den Mund, aber Hester ließ sich nicht bremsen. »Wunderbar. Sagen Sie, Chad, welche Strafe würden Sie als angemessen für meinen Mandanten erachten? Wo Sie doch schon darüber entschieden haben, ob er schuldig oder unschuldig ist, warum sprechen Sie dann nicht auch gleich das Urteil?«
»Ich heiße Rick.« Er schob seine Hipster-Brille hoch. »Und wir alle hier haben das Video ge