Michael Kuhn: Die Bekehrung des Mahout
Behutsam zog der kleine Mann die Türe hinter sich zu und wendete sich noch einmal um. Er wartete, bis ihm ein Scharren anzeigte, dass seine Frau den Riegel von innen vorgeschoben hatte. Dann folgte er dem fetten Mönch mit der hängenden Unterlippe, der ihn in die Palastschule befohlen hatte.
Es war mittlerweile der achte Winter, den er in Aachen verlebte, aber er hatte sich immer noch nicht an die feuchtkühle Witterung gewöhnt. Als er damals im Gefolge des Juden Isaak die Alpen überquert hatte, hatte er den ersten Schnee seines Lebens gesehen. Dort wo er herkam, waren die Winter feucht gewesen, aber nicht kalt. Wenn er die Augen schloss, hörte er noch das Rascheln der Palmwedel und roch den betörenden Geruch der heimischen Blüten.
Das Schicksal hatte ihn zuerst nach Bagdad an den Hof des großen Kalifen geführt. Harun al Raschid hatte nach einem Elefanten verlangt und die Wahl war auf ihn, den erfahrenen Mahout, gefallen, das Tier zu ihm zu bringen. Er war jedoch nur wenige Monate beim Kalifen geblieben. Eines Tages hatte man ihn vor den Herrscher gerufen. Dieser befahl ihm, mit dem Juden zu gehen, der an seiner Seite saß.
Erst zu diesem Zeitpunkt war ihm mitgeteilt worden, dass der Elefant ein Geschenk für einen mächtigen König in einem fernen Land war. Wie der Elefant dem Mahout gehorchte der Mahout dem Herrscher und ergab sich in sein Schicksal. Zwei Jahre waren sie unterwegs gewesen, bis sie das Ziel der Reise erreichten. Sie durchquerten endlose Wüsten, überwanden das Meer, erstiegen das bis in den Himmel ragende Gebirge und verloren sich in den düsteren Wäldern.
Das Herz wurde ihm schwer, als er an die Zeit mit Abul Abbas, den grauen Riesen, dachte, der vor wenigen Wochen verendet war. Er hatte alles getan, sein Leben zu retten. Aber er musste hilflos zusehen, wie das Tier immer schwächer wurde. Zum Schluss hatte sich der Elefant niedergelegt, ihn ein letztes Mal aus traurigen Augen angesehen und sich dann zur Seite gerollt. Als ob er ihn fragen wollte, warum man ihn in dieses kalte und unwirtliche Land gebracht hatte.
»Nun komm schon«, drängelte der Mönch den dunkelhäutigen Fremden, der zurückgeblieben war. »Ich will mir bei diesem Wetter nicht den Tod holen.«
Der Mahout verstand mittlerweile die raue und kehlige Sprache des Nordens, obwohl er sich mit dem Sprechen immer noch schwertat. Sie war so ganz anders als die Sprache, die in seiner Heimat gesprochen wurde. Rau, herrisch und nicht melodisch. Auch die Regeln, nach denen man die Worte zu Sätzen formte, hatte er nicht verstanden. Um sich überhaupt verständlich zu machen, hatte er sich angewöhnt, die Begriffe und Tätigkeiten in ihrer Grundform an