Dienstag
Morgens erwartete ihn bereits eine Mitteilung von seinem Chef: Um sieben Uhr sollten alle Kollegen zu einer Besprechung anwesend sein.
Die Kollegen kamen heute still herein. Alle sahen mitgenommen aus. Nur Sina und Kai fehlten.
Sie saßen gerade an dem großen Tisch, als Doktor Winkler hereinkam.
„Moin. Mache ich es kurz. Alle Mitarbeiter dieser Abteilung werden im Laufe des Vormittags von Herrn Derksen und seinen Kollegen zu dem gestrigen Vorfall befragt werden. Frau Seidler nimmt bis auf Weiteres Urlaub, danach wird sie in einer anderen Abteilung Dienst verrichten. Das äußerte sie gestern noch so gegenüber Hauptkommissar Lambert. Nein, es hat nichts mit dem gestrigen Vorfall zu tun. Frau Seidler äußerte dazu in etwa: Blödsinn! Martin kann doch nichts dafür. Das war meine persönliche Entscheidung, um für klar Schiff zu sorgen. Ich hätte es den Kollegen schon früher sagen müssen, wer mein Vater ist. Sie wollte mittags mit Herrn Gross sprechen, nur der war unterwegs. Wir werden dem Gesuch sofort stattgeben. Herr Razioni ist vorerst beurlaubt, da gegen ihn Ermittlungen laufen, genau wie gegen den ersten Hauptkommissar Seidler.
Ich möchte für die Zukunft einiges klarstellen. Kein Mitarbeiter ist verpflichtet, sich gegenüber anderen Kollegen für sein Privatleben zu rechtfertigen, das bekannt zu geben. Es ist irrelevant, wer mit wem befreundet, liiert ist, selbst wenn das ein entlassener ehemaliger Häftling wäre. Die Beziehung zwischen Herrn Gross und Frau Seidler war bereits bei vielen Kollegen im Haus bekannt, so auch mir, und keiner nahm daran Anstoß. Viele Kollegen gönnten es gerade Herrn Gross, der in den letzten zwei Jahren viele Unangenehme, Ungerechtfertigte, infame Intrigen hinnehmen musste. Der daneben auch selber reichlich Fehler beging. Dass er zusätzlich noch eine Menge privater Sorgen hatte, war dito bekannt. All das hat jedoch nie seine wirklich sehr qualifizierte Arbeit beeinträchtigt. Er wurde bei einer Schießerei lebensgefährlich verwundet, verlor dabei nicht nur fast sein Leben, sondern einen geschätzten Kollegen, mit dem ihm mehr als nur der Beruf verband, da er in ihm immer einen Ansprechpartner fand, gerade als bekannt wurde, dass man ihn wegen seiner Sexualität erpresste und anfeindete. So unter anderem besonders von Herrn Razioni. Dass Herr Seidler Ihr Vater ist, hätten Sie, Herr Kuhlmann, schon lange klarstellen müssen. Ja, ich weiß, Sie wollten es Frau Seidler überlassen, wann sie es für richtig ansah. Sie wussten von dem Hass, der in Herrn Razioni gegen Herrn Gross schlummert, trotzdem griffen Sie gestern nicht ein. Sie hätten das abwenden können, wenn Sie sofort Herrn Razioni aufgefordert hätten, darüber Stillschweigen zu wahren, wenn Frau Seidler nun schon alles ausbreitete. Danke, Sie können jetzt an die Arbeit gehen, da ein Serientäter derzeit sein U