1. Die Theateraufführung
»Franz Sütterlin wurde 1865 hier in Lahr geboren«, erläuterte Hannah Heidenreich ihren Schülern. »Er hat mit seiner Handschrift eine ganze Epoche geprägt. Im 22. Lebensjahr verließ Sütterlin unsere Heimatstadt und ging nach Berlin. Dort hat der Grafiker die Handschrift entworfen. Schon mit zweiundfünfzig Jahren verstarb er 1917 in Berlin. Man sagt, er sei verhungert. Es war eine schreckliche Zeit. Seine Handschrift wurde erst 1941 durch das lateinische Alphabet ersetzt. Auch Bertolt Brecht hat seine ersten Gedichte in Sütterlin geschrieben. Vor dem Abitur werden wir uns noch einmal mit Brecht befassen.«
Ausgerechnet an Melissas siebzehntem Geburtstag wurde die Dreigroschenoper im Deutschunterricht behandelt. Die Abiturienten sollten Brechts Dreiakter in den nächsten Stunden lesen und diskutieren. Der Musiklehrer würde sogar einige Stücke aus der Dreigroschenoper auf dem Klavier spielen. Musikalisch begabte Schüler könnten einige Songs aus der Dreigroschenoper vortragen. Die Lehrerin, Frau Heidenreich, hatte vorsorglich den Direktor von ihrer Absicht informiert. Zunächst hatte der Direktor gegen das Projekt Einwände.
»Frau Heidenreich, wissen Sie, was Sie Ihren Schülern damit antun? Sie werden in den Morast von Dieben und Huren gezogen. Sie sollten sich lieber mit Goethes Faust beschäftigen.«
Sie erwiderte: »Goethe ist auch nicht viel besser. Faust verlässt das arme Gretchen. Schließlich wird sie als Kindsmörderin hingerichtet. Überall lauert Verrat. Das Treiben Fausts steht der Rache der verschmähten Geliebten Jenny in nichts nach. Auch er hat, wie Mackie Messer, ein Bündnis mit dem Bösen geschlossen.« Widerstrebend kam der Direktor dem Wunsch der Deutschlehrerin schließlich nach.
Melissa las das Theaterstück mit zuneh