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Der Lärm, der vom Fernseher kam, war ohrenbetäubend.Die Windböen werden eine Geschwindigkeit von bis zu 180 Stundenkilometern erreichen, die höchste Windstärke, die jemals in Westschweden gemessen…
Sofia stellte die Einkaufstaschen in der Küche ab, ging ins Wohnzimmer, riss Benjamin die Fernbedienung aus der Hand und schaltete den Fernseher aus.
»Hey, was soll das?«, rief er.
»Du sollst hier nicht rumsitzen, sondern was tun.«
»Das war aber gerade ziemlich interessant. Die haben gesagt, wie man sich darauf vorbereiten kann.«
»Darauf kann man doch auch selbst kommen. Hol einfach die Gartenmöbel rein und befestige alles, was lose ist. Ich hab eingekauft, damit wir ein paar Tage überbrücken können. Dann müssen wir noch Teelichter, Taschenlampen und so was bereitlegen. Weißt du, wo Julia ist?«
»Keine Ahnung.« Er stand auf und legte seine Hände auf ihre Schultern. »Mein Schatz, mach dir nicht so große Sorgen wegen dieses Sturms. Wird schon alles gut ausgehen. Die Meteorologen haben doch nur Angst, dass sie Ärger bekommen, wenn sie die Leute nicht ausreichend vorgewarnt haben. Wird schon alles nicht so schlimm werden, wie sie es ankündigen. Du machst dir zu viele Gedanken.«
»Wir werden sehen«, sagte sie und wand sich aus seiner Berührung.
Es stimmte schon, dass der bevorstehende Sturm sie sehr beunruhigte. Und das lag nicht nur daran, dass auch die Meteorologen besorgt klangen. Zusätzlich hatte sie eine böse Vorahnung beschlichen, die sie nicht so einfach abschütteln konnte.
Sie ging in den Garten hinaus und sah auf den See. Die Stille war geradezu unnatürlich und kroch ihr unter die Haut. Das lag an der vollständigen Abwesenheit von Vogelgezwitscher. Die Wasseroberfläche war ein einziger schwarzer Spiegel, der hinter den Bäumen lag. Die einzige Bewegung wurde von einem Blatt erzeugt, das heftig am Zweig flatterte, bevor es zu Boden fiel. Der Himmel war sternenklar. Die Zugvögel glitten lautlos wie Segelflugzeuge durch die Luft. Es war so still, dass sie das schwache Rauschen in ihren Ohren hörte, das immer dort war.
Die Herbstluft war kalt und schneidend. Irgendwo wurde Laub verbrannt. Normalerweise liebte sie diesen Geruch, aber heute machte er sie ganz wehmütig. Da hörte sie ein Geräusch über ihrem Kopf, etwas wie ein langes Seufzen. Aber das war nur ein schwacher Windzug, der über das Laub der Bäume strich. Dann war es wieder still. Sie hatte einen Kloß im Hals.
Ich habe alles, was ich liebe, dachte sie. Meinen wunderbaren Mann, meine wunderbare Tochter, mein schönes Haus. Und trotzdem stehe ich jetzt hier … mit schwerem Herzen.
Sie schämte sich dafür, dass sie Benjamin so angefahren hatte. In letzter Zeit war sie oft unruhig und leicht irritierbar gewesen. Sie wusste genau, warum das so war, hatte es aber weder sich, geschweige denn ihm gegenüber eingestehen wollen. Sie hatte wieder angefangen, von dem Sektenführer Franz Oswald zu träumen. Nach fünfzehn Jahren warer auf unerklärliche Weise wieder zurück und in ihren Träumen aufgetaucht. Die Vergewaltigung, mit der sie sich so ausführlich beschäftigt hatte, bis auch das letzte Gefühl aus den Tiefen ihrer Seele nach außen gekehrt worden war und nichts mehr übrig blieb. Sie spielte sich vor ihrem inneren Auge ab. Aber jetzt hatten die Bilder an Klarheit und Schärfe gewonnen. Sie erinnerte sich an neue Details, sah sie jetzt viel deutlicher.
Ihr Verstand beruhigte sie jedoch und sagte ihr, dass Franz Oswald untergetaucht war. Seit zehn Jahren hatte er sich nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt. Es hieß, er würde sich im Herrenhaus der Sekte ViaTerra auf der Insel Dimö aufhalten, um dort neue Thesen zu entwickeln. Außerdem hatte sich das Gerücht verbre