: Constanze Neumann
: Wellenflug Roman | Die Geschichte einer Familie, die ganz nebenbei deutsche Vergangenheit erzählt
: Ullstein
: 9783843726221
: 1
: CHF 9.70
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: Erzählende Literatur
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Das faszinierende Doppelporträt zweier höchst unterschiedlicher Frauen. Genau recherchiert und opulent erzählt Constanze Neumann das Schicksal einer zerstreuten Familie, deren Geschichte mit der deutschen untrennbar verbunden bleibt.« Julia Franck Als ihr Sohn Heinrich 1881 zur Welt kommt, setzt Anna Reichenheim große Hoffnungen auf diesen Erstgeborenen. Doch Heinrich schert sich nicht um die Konventionen seiner großbürgerlichen jüdischen Familie. Er erliegt den Verlockungen des Berliner Nachtlebens und verliebt sich in die ganz gewöhnliche Marie, die seine Mutter nicht akzeptieren kann. Gemeinsam suchen Heinrich und Marie in den USA ihr Glück, bis der Erste Weltkrieg sie zurück nach Deutschland holt. Sie bleiben ausgeschlossen aus der Familie, auch als die Schatten der Weltwirtschaftskrise und des aufkommenden Nationalsozialismus sich über das Land legen. Anna stirbt 1932 unversöhnt mit Heinrich, nicht ahnend, was ihrer Familie bevorsteht. Während seine Geschwister fliehen oder vertrieben werden, bleibt Heinrich in Deutschland zurück. Wieder ist es Marie, die ihm Halt gibt, als sie ums Überleben kämpfen. ***Ein feinfühliger Roman über zwei ganz unterschiedliche Frauen, über zwei Leben reich an Liebe und Verlust in einem Jahrhundert voller Extreme.*** »Zwei Jahrhunderte, zwei Frauen, eine Familie: Constanze Neumann erzählt mitreißend von den Fäden der Vergangenheit, aus denen die Träume der Zukunft gewebt werden.« Florian Illies

Constanze Neumann, geboren in Leipzig, studierte Anglistik, Romanistik und Germanistik. Sie lebte mehrere Jahre in Palermo und arbeitete dort als Übersetzerin. Zuletzt erschien von ihr der Roman Wellenflug. 

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»Es war einmal ein armes Waisenmädchen, das lebte am Rande eines großen Waldes bei einem Köhler und seiner Frau. Sie waren hartherzig zu ihm, und es musste den ganzen Tag für sie arbeiten. Einmal schalt es die Köhlersfrau, als sie in der Küche Spinnweben entdeckte. Sie wollte die Spinne, die darin saß, mit dem Schuh totschlagen, aber das Mädchen trug sie schnell nach draußen.

Eines Tages zerbrach ihm ein Krug, und die Köhlerfrau jagte es aus dem Haus. Das Mädchen lief weinend in den Wald, durch Dickicht, über Stock und Stein, dorthin, wo er dunkel und undurchdringlich wurde.

Am Abend gelangte das Mädchen auf eine kleine moosbedeckte Lichtung und sank erschöpft zu Boden. Es dämmerte schon, und das Moos war dunkelgrün und so weich, dass es sofort einschlief. Als es erwachte, schien der Mond hell auf die Lichtung, und das Mädchen sah einen silbernen Faden, an dem eine Spinne hing.

›Greif zu und klettere in den Himmel, kleines Mädchen‹, sagte die Spinne.

Und das Waisenmädchen nahm den Faden, der weich und fest war wie feinstes Garn. Es kletterte schnell hinauf, bis es zu den Himmelswiesen kam. Als es sich umsah, entdeckte es die Spinne, die sprach: ›So wie du mir geholfen hast, helfe ich dir. Du hast ein gütiges Herz und sollst dir einen Bräutigam aussuchen. Aber wähle mit Bedacht zwischen zwei Brüdern: dem Sonnen- und dem Mondjüngling.‹

Da traten zwei junge Männer vor das Mädchen. Es musste die Augen abwenden von dem Sonnenjüngling, so blendete sein strahlender Blick. Der Mondjüngling war blass und freundlich, und ohne Furcht konnte das Mädchen in sein liebes Antlitz sehen.

Da sprach das Mädchen zu der Spinne: ›Mit dem Sonnenjüngling kann ich nicht gehen – zu viel Glut liegt in seinem Blick. Ich gehe mit dem Mondjüngling.‹

Kaum hatte es diese Worte ausgesprochen, trat der Mondjüngling zu ihm und trug es hoch empor in den Himmel. Bis heute wandert das Waisenmädchen mit seinem