: Stephen King
: Atlantis Roman
: Heyne
: 9783641055066
: 1
: CHF 8.00
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: Spannung
: German
: 800
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine verlorene Generation zwischen Verrat, Krieg und Schrecken

Die mysteriösen Männer, die an Bobby Garfields elftem Geburtstag in seiner Heimatstadt auftauchen, sind gemeingefährlich. Das Grauen, das mit ihnen Einzug in Bobbys Welt hält, zwingt ihn dazu, sich von den Gewissheiten der Kindheit zu verabschieden - und das ist erst der Anfang.

Grundlage für die Verfilmung 'Hearts of Atlantis' mit Oscar-Preisträger Anthony Hopkins.

»Stephen Kings vielschichtigstes und überzeugendstes Buch - sein persönliches Meisterwerk.«Kirkus Review

Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis fürMr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen.

Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.

BLIND WILLIE 1983 Gott segne uns alle. (S. 474-475)

6:15 Uhr

Er erwacht mit Musik, immer mit Musik; in diesen ersten verschwommenen Momenten des Tages wäre das schrille Piep-piep-piep des Weckers einfach zu viel für ihn. Es klingt wie ein zurücksetzendes Müllauto. Das Radio ist um diese Jahreszeit allerdings auch schon schlimm genug; der Dudelsender, den er eingestellt hat, leiert von früh bis spät Weihnachtslieder herunter, und an diesem Morgen hört er beim Aufwachen eins der zwei oder drei, die auf seiner Hassliste ganz oben stehen - lauter hauchige Stimmen und unechtes Staunen.

Der Hare-Krishna-Chor, die Andy Williams Singers oder so was in der Art. Hörst du, was ich höre, singen die hauchigen Stimmen, als er sich verschlafen blinzelnd im Bett aufsetzt; die Haare stehen ihm in alle Richtungen vom Kopf ab. Siehst du, was ich sehe, singen sie, als er die Beineüber den Rand schwingt, dem Radio auf dem Wegüber den kalten Fußboden eine Grimasse schneidet und es mit einem Schlag auf die Taste ausschaltet. Als er sich umdreht, hat Sharon ihreübliche Schutzhaltung eingenommen - Kissenüber dem Kopf, unsichtbar bis auf die cremige Krümmung einer Schulter, den spitzenbesetzten Träger eines Nachthemds und eine blonde Locke.

Er geht ins Badezimmer, schließt die Tür, zieht die Pyjamahose aus, in der er schläft, wirft sie in den Wäschekorb und schaltet seinen Elektrorasierer ein. Während er sich damitübers Gesicht fährt, denkt er: Warum geht ihr nicht auch gleich den restlichen Katalog der Sinne durch, wenn ihr schon mal dabei seid, Jungs? Riechst du, was ich rieche, schmeckst du, was ich schmecke, fühlst du, was ich fühle - ich meine, he, nur zu!»Mumpitz«, sagt er, als er die Dusche aufdreht.»Alles Mumpitz.« Als er sich zwanzig Minuten später anzieht (den dunkelgrauen Paul-Stuart-Anzug, dazu seine Lieblingskrawatte von Sulka), wacht Sharon ein bisschen auf.

Nicht so wach allerdings, dass er vollständig verstünde, was sie ihm erzählt.»Wie war das?«, fragt er.»Eierflip hab ich mitgekriegt, aber der Rest war bloß Ubbeldibubbel.«»Ich hab dich gefragt, ob du auf dem Rückweg zwei Liter Eierflip mitbringen könntest«, sagt sie.»Heute Abend kommen die Allens und die Dubrays rüber, weißt du noch?«»Weihnachten«, sagt er undüberprüft im Spiegel sorgfältig, wie sein Haar sitzt. Er sieht nicht mehr wie der verwirrte Mann mit dem wilden Blick aus, der sich fünfmal, manchmal sogar sechsmal pro Woche morgens zum Klang von Musik im Bett aufsetzt.

Jetzt sieht er so aus wie all die anderen Leute, die im Sieben-Uhr-vierzig-Zug mit ihm nach New York fahren, und genau das will er.»Was ist mit Weihnachten?«, fragt sie mit einem schläfrigen Lächeln.»Mumpitz, hab ich recht?«»Genau«, stimmt er zu.»Bring auch noch ein bisschen Zimt mit, wenn du dran denkst…«»Okay.«»… aber wenn du den Eierflip vergisst, erwürge ich dich, Bill.«»Ich werde dran denken.«»Ich weiß. Du bist sehr verlässlich. Und gut siehst du aus.«»Danke.«